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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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einen seltenen Augenblick innerer Einkehr. Sonst war sie immer der Meinung, das Nachgrübeln über die Rätsel des Lebens sei ohnehin für die Katz. Sie kam nicht auf die Idee, daß man bei manchen Entscheidungen tatsächlich die Wahl zwischen Gut und Böse hat. Amy machte sich nicht die Mühe, über Lebensentscheidungen nachzudenken. Amy war nur mit Amy beschäftigt.
    Plötzlich packte eine Hand sie an den Haaren und bog ihren Kopf nach hinten, so daß ihr entsetzt der Atem stockte. Gunther beugte sich über sie und biß sie ins Ohr. »Du hast mich nicht gehört, was?«
    »Nein.« Plötzlich hatte sie rasendes Herzklopfen. Als sie ihn so ansah, fragte sie sich, ob er vielleicht den Safe knacken, die Perlen ausräumen und für immer aus ihrem Leben verschwinden würde. Doch diese flüchtigen Zweifel gingen in der Woge der Erregung unter, die ihren Körper durchflutete, als er sie an sich zog und wild küßte. Dann machte er sich am Safe zu schaffen.
    Erst untersuchte er ihn eine Weile und beleuchtete das Schloß mit einer Kerze, deren Licht er mit der Hand abschirmte.
    »Kleinigkeit«, verkündete er schließlich flüsternd. »Die haben viel Geld in das Stahlgehäuse gesteckt, aber nicht genug in das Schloß.« Er kicherte und wickelte eine Segeltuchrolle auseinander, die eine Sammlung schlanker Metallwerkzeuge enthielt.
    Amy sah ihm zu, wie er das Schloß mit mehreren Stücken Draht und dann mit dünnen, besonders geformten Stahlspitzen bearbeitete. Er fluchte häufig und unterbrach irgendwann die Arbeit, um das Büro nach etwas Trinkbarem zu durchwühlen. Schließlich fand er die halbvolle Flasche in Tyndalls Schreibtisch. Er stellte sie neben sich und fuhr wieder fort, schwitzend und fluchend vor Anstrengung und vor Verärgerung, weil es nicht schneller klappen wollte. Amy saß mucksmäuschenstill und wagte vor Anspannung kaum zu atmen.
    Nach zwei Stunden, in denen Gunther die Flasche geleert und Amy mehrmals erschreckt hatte, als er gegen den Safe trat, seufzte er schließlich laut auf, rollte sich auf den Rücken und streckte sich voll unendlicher Erleichterung aus. »Ich hab's«, flüsterte er mit unterdrücktem Jubel. »Ich hab's.«
    Amy sprang von ihrem Stuhl auf und kauerte sich neben ihn, sie konnte ihre Aufregung nicht mehr zügeln. »Mach ihn auf! Mach ihn auf!«
    Er setzte sich auf, langte selbstsicher nach dem Türgriff, hielt ihn eine Sekunde, drehte dann den Griff und zog. Die Tür flog auf. Amy klatschte vor Begeisterung in die Hände und tastete dann im Safe nach den weichen Säckchen voller Perlen.
    Im Mondlicht hatten die Perlen einen märchenhaften Lüster und wirkten unglaublich groß.
    »Ist das genug Kapital für dich? Bin ich dabei?« fragte Amy lächelnd. Anstelle einer Antwort stürzte er sich auf sie, stieß sie zu Boden, nagelte sie mit seinem Gewicht fest und legte ihr, als sie entsetzt nach Luft schnappte, die Hand über den Mund. Dann merkte sie, daß seine andere Hand unter ihrem Rock herumtastete, und sie sah sein zahnlückiges Lächeln aufglimmen. Kichernd zog sie an seinem Ledergürtel und der groben Baumwollhose.
    Sie wälzten sich in einer entfesselten Leidenschaft, die dem Wahnsinn nahekam, auf dem Boden, Amy hielt mit der einen Hand die Perlensäckchen umklammert, mit der anderen krallte sie sich in Gunthers wirres, öliges Haar. Alles außer ihren Körpern war aus ihrem Bewußtsein verschwunden, so konnten sie die Stimmen und das Treiben unten am Kai nicht hören, bis ein Ruf und das Getrappel von Füßen sie hochschrecken ließen. Nackt spähten Gunther und Amy durchs Fenster, Gunther fluchte.
    »Das ist Ahmed, warum ist der denn zurückgekommen?« rief Amy.
    »Sie tragen jemand, es muß etwas passiert sein. Zieh dich an. Wir können nur hoffen, daß sie nicht hier rauf kommen. Hat Ahmed einen Schlüssel?«
    »Keine Ahnung.«
    Schweigend fuhren sie in ihre Kleider. Als unten eine Kutsche vorfuhr, ertönten Rufe, denen sie entnehmen konnten, daß es sich bei dem Patienten um Kapitän Tyndall handelte.
    »Mein Gott, wo bringen sie ihn hin? Was machen wir jetzt mit den Perlen?«
    »Schieb die Safetür zu und schließ sie wieder ab. Sie werden den Safe wohl nicht öffnen, während Tyndall krank ist. Laß mich lieber die Perlen nehmen.«
    »Nein, die nehme ich.«
    Gunthers Augen wurden hart. »Wir sind doch Partner. Vertraust du mir etwa nicht?«
    »Nein.« Sie stand ihm an Härte keinen Deut nach. »Das ist meine Fahrkarte in die Freiheit. Ich gebe sie dir, wenn du mich heil von

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