Tränen des Mondes
zurückgehen. Yoshi war inzwischen ein weiteres Mal nach Japan gereist, zur Beerdigung seines Schwiegervaters. Jetzt hoffte er, sich bald zur Ruhe setzen zu können und ein kleines Geschäft zu eröffnen, vielleicht ein Nudelrestaurant, zusammen mit seiner Frau Sachiko und seinem Sohn.
Es war unvermeidlich, daß in der weißen Oberschicht über Olivias Rückkehr und ihre Beziehung zu Tyndall getratscht wurde. Wie immer ignorierten die beiden jeden Klatsch und mieden die Gesellschaft. Sie erschienen nicht gemeinsam in der Öffentlichkeit, doch er nahm seine alte Gewohnheit wieder auf und kam jeden Abend vorbei, um mit Olivia einen Drink zu nehmen und mit Georgie zu spielen.
Maya verbrachte fast jeden Tag mit ihm, und Tyndalls Freude war groß, als er sah, wie sie sich mit Ahmed und Yoshi anfreundete und sie bat, ihr alles über das Tauchen und die Arbeit auf den Loggern beizubringen.
»Sie hat wirklich einen Sinn für Zahlen und Buchführung. Sie hat bei den Nonnen eine gute Ausbildung bekommen, obwohl sie sagt, sie hätte die Schule damals gehaßt«, bemerkte Olivia.
»Arme Kleine, von einem gutbürgerlichen Haushalt in den Busch verpflanzt, um dann, völlig entwurzelt, bei den Nonnen gedrillt zu werden. Die Barstows hätten ruhig stolzer auf sie sein dürfen, so prächtig hat sie sich entwickelt. Aber ich selbst komme mir vor, als hätte ich schrecklich versagt.«
»John, es gab nichts, was du hättest tun können. Ich habe ihr erzählt, wie du versucht hast, sie aufzuspüren, nachdem Niah in den Busch gegangen war. Aber komme, was wolle, Maya wird einfach mit allem fertig. Sie hat so viel gelitten und kann trotzdem lächelnd durch den Tag gehen. An ihr habe ich mir oft ein beflügelndes Beispiel genommen«, sagte Olivia leise. »Ich wünschte nur, Hamish wäre hier und könnte alles miterleben …«
»Manchmal habe ich das Gefühl, er ist tatsächlich hier«, sagte Tyndall einfühlsam. »Doch Maya wird bei Georgies Erziehung die Hand eines Mannes brauchen, soviel ist klar.«
»Gilbert und ich haben Maya ein Zuhause angeboten, aber ich kann mir denken, daß du andere Pläne hast«, sagte Olivia.
»Ja. Ich überlege mir gerade, ob ich sie fragen soll, ob sie nicht hierbleiben möchte. Hättest du etwas dagegen, wenn sie im Unternehmen mitarbeitet?«
»Ganz und gar nicht, das wäre nur vernünftig. Sie wird bald genug meine Rolle übernehmen können.«
»Nein, Olivia! Ich möchte nicht, daß du aus der
Star of the Sea Pearl Company
ausscheidest! Wir brauchen dich.« Tyndall sah geradezu erschüttert aus. Das Geschäft war seine einzige Verbindung zu Olivia.
Olivia war erleichtert. Tief im Innersten hatte sie erkannt, daß sie die Bande zwischen ihnen nicht durchtrennen wollte. Doch in ihrem Kopf flüsterte eine andere Stimme, daß sie vielleicht doch alle Taue kappen sollte. Tyndall hatte nun ein neues Leben, genau wie sie. Doch bei diesem Gedanken wurde es Olivia unbehaglich, und sie schob ihn weit von sich fort.
Die Tage verflogen nur so. Maya und Georgie zogen bei Tyndall ein. Rosminah und Yusef hatten gerade ein weiteres Baby bekommen, ein Mädchen, mit dem Georgie stundenlang spielte. Olivia half Maya beim Umzug, und gemeinsam richteten sie die Zimmer für sie und Georgie ein. Sie verbrachten einen Teil jedes Vormittags im Büro, und Tyndall ließ sich weiterhin jeden Abend zu einem Drink auf Olivias Veranda nieder. Seine Geschichten über den Besuch bei Mikimoto weckten ihre Neugier, und sie diskutierten ausgiebig über die Realisierbarkeit einer Perlenfarm in oder in der Nähe von Broome.
»Warum segeln wir nicht ein Stück die Küste hinauf und suchen nach einem geeigneten Platz in einer ruhigen Bucht oder einer Flußmündung? Du warst schon lange nicht mehr auf einem Schiff unterwegs, und ich kenne doch deine Liebe zur See.«
»Wir müßten auch Maya und Georgie mitnehmen«, beeilte sich Olivia hinzuzufügen. »Ja, das würde uns allen gefallen.«
An dem Vormittag, an dem sie lossegeln wollten, kam Yusef zum Anleger gerannt, wo Tyndall gerade damit beschäftigt war, Olivia nebst der ganzen Ausrüstung auf dem Schiff unterzubringen. Yusef sollte Maya und Georgie nach dem Frühstück zum Logger bringen, kam aber mit schlechten Nachrichten.
»Georgie hat bißchen Bauchweh und heißen Kopf. Kann nicht fahren. Maya sagt, besser bei Georgie bleiben. Tuan fahren. Ich soll sagen, Georgie nicht schlimm krank.«
Olivia wollte nach Hause zurückkehren und auf die Fahrt verzichten, doch nachdem sie
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