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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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und Kinder ließen sie zurück. »Gehen zu besondere Ort« – mehr war Minnie nicht zu entlocken. Tyndall wußte, daß es keinen Zweck hatte, genauer nachzufragen. Maya winkte ihm noch kurz über die Schulter zu, und Tyndall winkte zurück, während Georgiana sich an sein Bein klammerte und leise zu weinen begann.
    Tyndall kauerte sich neben sie. »Weißt du was, Georgie? Jetzt gehen wir mit den anderen Kindern baden und plantschen herum.«
    Ein Stück weiter bachaufwärts befand sich ein von Felsen umgebener Teich mit einem kleinen Wasserfall. Ein umgestürzter Baum gab ein hervorragendes Sprungbrett ab, und an dem Seil, das von einem anderen Baum herabhing, konnte man sich herrlich über den Teich schwingen. Alle außer Georgie hatten einen Mordsspaß. Doch Georgie war befangen wegen ihrer weißen Haut und fand es schrecklich, daß alle nackt herumliefen; es beschämte sie, daß sie von der Sprache der anderen Kinder kein Wort verstand. »Ich will zurück zum Boot, Opa«, forderte sie wiederholt.
    Als die Sonne unterging, bat Maya ihren Vater, ihr Reisebündel an Land zu schicken, weil sie im Lager übernachten wollte. Sie hatte nichts dagegen, daß Georgiana zum Schiff zurückkehren wollte. »Es wird ihr alles zuviel«, sagte Maya, als sie ihre Tochter liebevoll an sich drückte. »Du wartest mit Opa auf dem Schiff auf mich. Morgen früh sehen wir uns wieder. Vielleicht könnt ihr einen großen Fisch fürs Mittagessen fangen.« Diese Aussicht heiterte Georgie wieder auf, und sie gab ihrer Mutter einen Kuß.
     
    Als Tyndall seine kleine Enkelin in die Schlafkoje verfrachtet und ihr seine eigene erstaunliche Version des Märchens von Rotkäppchen erzählt hatte, setzte er sich an Deck und rauchte seine Pfeife. Über den Baumwipfeln konnte er die Lagerfeuer glimmen sehen. Er hörte die Gesänge, die eindringlichen Töne der Didgeridoos und das rhythmische Schlagen der Klangstöcke. Er dachte an Niah und sprach erneut ein Dankgebet, weil Maya ihm wiedergeschenkt worden war.

[home]
    Dreiundzwanzigstes Kapitel
    I nnerhalb der nächsten beiden Jahre machte Olivia ihren Garten zu einem Juwel. Eines sonnigen Morgens, an dem sich schon herbstliche Frische ankündigte, saß Olivia neben Gilbert und hielt den Kopf über einen Kissenbezug gebeugt, den sie mit einem Rosenstraußmotiv bestickte. Sie unterbrach ihre Arbeit, ließ ihre Blicke über den Garten schweifen und sagte zu ihrem Mann: »Vielleicht sollte ich einige Rosenrabatten anlegen. Als Verbeugung vor dem guten alten England sozusagen. Weiße und rosa Rosen wären doch hübsch, findest du nicht?«
    Sie hatte sich an solche einseitigen Unterhaltungen mit Gilbert gewöhnt, fragte sich aber, was sie wohl für eine Gesprächspartnerin abgeben würde, wenn sie sich dieser Tage wieder in Gesellschaft begäbe. Olivia ging selten aus, und außer bei den Einkäufen im nahe gelegenen Ort und den sehr seltenen Ausflügen in die Stadt redete sie nur mit Mollie und Stan, die inzwischen verheiratet waren.
    Mollie und Stan hatten eine Reise nach Broome gemacht, als Minnie ganz unerwartet, aber friedlich verstorben war.
    Mabel Metta hatte an Olivia geschrieben:
… sie hing gerade die Wäsche auf, fiel hin und war tot, einfach so. Sie hatte eine schwere Grippe hinter sich, an der besonders unter den Schwarzen viele gestorben sind. Alf ist in den Norden zur Mission gegangen, wo er Verwandte hat, die für ihn sorgen …
    Olivia stopfte die Decke unter Gilberts spindeldürre Beine, zog sie ihm über die Brust und sagte: »Ich gehe ein bißchen im Garten herum und schaue, ob ich eine günstige Stelle für die Rosen finden kann. Es wird windig, ich möchte nicht, daß du frierst …« Sie wollte sich schon abwenden, doch bevor sie ihre Hand von der Decke genommen hatte, schloß sich ein zitternder Klammergriff um sie. Fassungslos starrte sie auf Gilberts Finger, die an ihrem Handgelenk kratzten. Der Schock verschlug ihr die Sprache. Als sie ihm ins Gesicht blickte, ruckte sein Kopf zur Seite, und seine Lippen zuckten.
    »Gilbert! Du kannst dich bewegen! Kannst du sprechen? Ach, mein Lieber! Du kehrst zu uns zurück!« Sie nahm seine Hand und spürte das schwache Zittern, mit dem er sie festhielt. Sein Mund versuchte, ein Wort zu formen, doch er brachte keinen Ton hervor, jede weitere Bewegung schien unmöglich. Trotzdem war dies ein großer Durchbruch. Bebend vor Schreck und Erleichterung, klopfte sie ihm auf den Handrücken. »Warte, ich hole Stan. Wir müssen den Arzt rufen. Das

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