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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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spürte sie immer deutlicher, wie es sie auf eigentümliche Weise berührte. Langsam wuchsen ihre Erregung und ihre Ungeduld, an Land zu gehen, Boden unter den Füßen zu spüren. Das ließ sich schwer verstehen und noch schwerer erklären, deshalb sprach Maya nicht davon.
    Minnie brach das Schweigen. »Kommen näher zu unsere Land. Das da schon unsere Leute, glaube ich«, sagte sie und deutete auf eine dünne Rauchspirale, die plötzlich von einer Landspitze aufstieg.
    Maya spürte eine Hand auf ihrer Schulter. Sie blickte hoch und lächelte ihren Vater an, der ihr Lächeln erwiderte. »Wir werden bald Anker werfen.«
    Kaum hatte der Schoner geankert, als eine Gruppe Aborigines aus dem Busch hervorkam und winkend und rufend zum Strand lief.
    »Woher wußten sie, daß wir hier sind?« fragte Maya, verblüfft über das unerwartete Auftauchen des Begrüßungstrupps.
    »Buschtelegramm«, lautete Tyndalls rätselhafte Antwort. »Frag mich nicht, wie das geht. Aber es funktioniert.«
    Das Dinghi wurde gleich umringt, nachdem es von einigen Männern auf den Strand gezogen worden war. Die Frauen gerieten in große Aufregung, als sie den Anhänger auf Mayas Bluse sahen. Maya stand neben dem Boot und lächelte in die Runde, während Tyndall das Begrüßungsritual absolvierte und an die Ältesten einige Worte in ihrer Sprache richtete. Minnie wurde von den Frauen und Kindern überschwenglich begrüßt. Dann drehte sich Tyndall um und nahm Maya an der Hand. »Ihr erinnert euch an Niah«, verkündete er etwas lauter, um die Stimmen zu übertönen. »Das ist ihre Tochter Maya.«
    Aufschreie des Erstaunens ertönten unter den Aborigines, und mehrere alte Frauen weinten, als sie zu Maya gingen, um sie zu berühren.
    Die kleine Georgie, die immer noch mit weit aufgerissenen Augen im Dinghi saß, erschrak über das laute Geplapper in der fremden Sprache und bekam plötzlich Angst, als eine Woge schwarzer Kinder ins Boot schwappte. »Mama«, schrie sie, doch statt ihrer Mutter eilte Minnie zu ihrer Rettung herbei und nahm sie auf den Arm. Dann rief Minnie den anderen zu, daß das kleine Mädchen Mayas Tochter wäre, worauf ein erneuter Ausbruch erstaunter Rufe und weitere Tränen folgten. Als die alten Frauen Minnie umringten, um Georgies helle Haut zu berühren und ihr in die Augen zu sehen, begann Georgiana zu brüllen. Maya schob sich durch das Gewimmel, nahm sie Minnie ab und konnte sie mit Tyndalls Hilfe rasch beruhigen.
    Dann zogen sie alle den Strand hinauf, gingen einen verschlungenen Pfad entlang und einen kurzen Steilhang hinauf, bis sie zum Lager gelangten, das neben einem Bach aufgeschlagen war. Maya und Minnie gingen Hand in Hand mit ein paar von den Frauen, Minnie übersetzte eifrig, denn die neugierigen Fragen rissen nicht ab. Georgiana saß auf Tyndalls Schultern und umklammerte ängstlich die Hände, die sie festhielten.
    Sie setzten sich alle unter schattige Bäume, ein Kessel wurde übers Feuer gehängt. Tyndall unterhielt sich mit einer Gruppe von Männern, während Minnie die Frauen in allen Einzelheiten über Mayas Leben ins Bild setzte. Das Ganze schmückte sie zu einer Geschichte von epischer Breite aus, denn Minnie liebte nichts mehr, als eine gute Geschichte zu erzählen, ihr Publikum liebte nichts mehr, als eine solche zu hören.
    Mehrere Frauen kamen mit Muscheln zu ihnen, in die Muster eingeritzt waren, die dem Muster auf Mayas Anhänger ähnelten. »Deine Tanten«, sagte Minnie und verschob die Erklärung der verwickelten Verwandtschaftsbeziehungen unter den Aborigines auf einen späteren Zeitpunkt.
    Die ganze Zeit über klammerte sich Georgiana an den Arm ihrer Mutter, doch Maya nahm das Kind kaum wahr. Eine Flut verwirrender Gefühle schlug über ihr zusammen. Sie war sehr erleichtert, als sie Minnie verkünden hörte, es sei ›Zeit für ein Täßchen‹.
    Unter Rufen und Gelächter wurden mehrere Fladenbrote aus der Asche gezogen und dazu eine Dose Sirup geöffnet, die Tyndall in seinem Geschenkepaket mit an Land gebracht hatte; den Tee goß man mit Schöpfkellen in angeschlagene Emailbecher. Maya glaubte, noch nie etwas so Köstliches gegessen und getrunken zu haben. Über den Rand ihrer Tasse hinweg fing sie den bewundernden Blick ihres Vaters auf, beide zwinkerten einander lächelnd zu. Nur dem Lächeln ihres Vaters war es zu verdanken, daß sie nicht in Tränen ausbrach, ihre Augen waren schon ganz feucht.
    Nach dieser kleinen Stärkung nahmen die Frauen Maya zu einem Spaziergang mit, die Männer

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