Tränen des Mondes
aller Stille kehrten sie nach Broome zurück. An einem linden Abend bei Sonnenuntergang lief der Dampfer mit der Flut ein. Ein erfrischendes Nachmittagsgewitter hatte die Wolken weggefegt und einen samtig blauen Himmel zurückgelassen, von dem der aufsteigende Mond auf sein Spiegelbild im Meer herabschien. Der rosa- und lavendelfarbene Sonnenuntergang verblaßte, während die Lichter von Broome funkelnd zum Leben erwachten und Tyndall und Olivia ganz ohne Begrüßungsempfang an Land gingen. Sie hatten ihre Ankunft niemandem angekündigt, weil sie jeden Auflauf vermeiden wollten. Maya war nach dem Begräbnis in Fremantle geblieben, um Georgie die Stadt zu zeigen, und wollte dann noch die Barstows in Albany besuchen.
In Tyndalls Haus war alles ruhig. Der Duft des Currys, das Rosminah für Yusef kochte, drang aus den Dienstbotenräumen herüber, sonst war das Haus leer. Tyndall grinste, ließ seine Tasche fallen, legte seine Arme um Olivia und hob sie schwungvoll in die Höhe. »Das ist vielleicht etwas verfrüht, aber es bedeutet mir sehr viel.« Er trug sie die Stufen hoch, über die Veranda, stieß die Tür mit der Schulter auf und nahm Kurs auf das Schlafzimmer. Dort küßte er sie und ließ sie aufs Bett fallen. »Yusef soll das restliche Gepäck holen.«
Lachend setzte sie sich auf. »Stil hast du schon, John Tyndall, das muß ich dir lassen.«
Spät am Abend saßen sie in nachdenklicher Zweisamkeit schweigend auf der dunklen Veranda und betrachteten den Mond, der über die Bucht schien. Er küßte ihre Fingerspitzen. »Jetzt können wir unsere Hochzeit planen.«
»Es gibt nichts, was ich lieber täte. Ich glaube, wir haben lange genug darauf gewartet. Sicher gibt es niemanden in der Stadt, der sich nicht darüber freut, daß wir endlich zusammen sind«, sagte Olivia mit einem leisen Lächeln.
Als sie in der Nacht eng umschlungen einschliefen, blickte Olivia noch einmal in Tyndalls Gesicht, das neben ihr auf dem Kissen lag, und ein großer innerer Frieden breitete sich in ihr aus, die sichere Gewißheit, daß sie den Rest ihrer Tage miteinander verbringen würden.
Die nächsten Tage waren ganz vom Wiedersehen mit alten Freunden ausgefüllt. Die Mettas luden sie zu einem großen Mittagessen ins Conti ein, und für Olivia lebten die guten alten Zeiten wieder auf mit ihrer freudigen Hochstimmung, den Gesprächen über die Perlenfischerei, die Verkäufe unter der Hand und die Aussichten auf dem Perlmuttmarkt. Die weiße Oberschicht nahm mit Zustimmung zur Kenntnis, daß aus der geschäftlichen Partnerschaft zwischen Tyndall und Olivia eine persönliche Verbindung wurde.
Als Tyndall seinem alten Kameraden Ahmed erzählte, daß er und Olivia nun endlich heiraten würden, hörte Ahmed nicht auf zu strahlen, packte Tyndalls Hand und schwenkte sie begeistert auf und nieder.
Und als sich Olivia bei den Schuppen im Ufercamp blicken ließ, wurde sie von den Muschelöffnern, Pumpern, Tauchern und den anderen Arbeitern überschwenglich empfangen. Mit ihrer Rückkehr schloß sich ein Kreis, und das galt als gutes Omen nach all der Zeit, die Olivia mit der
Star of the Sea
verbunden war.
Die Logger fuhren wieder aus, und Olivia begann mit der Gestaltung der Räume und der Einrichtung ihres Hauses, während sie gleichzeitig die Hochzeit plante. »Nur eine einfache Feier, ich meine, in meinem Alter und nach so langer Zeit …«, begann sie, konnte aber ihre überströmende Freude vor Mabel nicht verbergen.
»So ein Unsinn! Du bist doch in den besten Jahren. Die Stadt erwartet ein großes Ereignis, Olivia. John ist bei den Menschen aller Rassen beliebt, und auch dich haben alle Leute gern.«
»Mal sehen. Wenn John zurückkommt, werde ich mich mit ihm darüber unterhalten.«
Olivia ging den Pfad am Rand der Bucht entlang. Während die Logger ein letztes Mal zu den Muschelgründen aufgebrochen waren, döste die Stadt in der salzigen Luft, in deren drückender Schwüle sich schon der erste Regenguß der Regenzeit ankündigte.
Olivia blieb stehen, um einem alten malaiischen Fischer zuzusehen, der silbrige Barramundas auslud, sie auf eines der Ruder spießte, das Ruder auf die Schulter wuchtete, dazu noch einen Eimer mit Herzmuscheln aufhob und sich auf den Weg in die Stadt machte. Sein ausgeblichener Batik-Sarong war fest um seine sehnige Gestalt geknotet, die schwarze Kappe saß keck auf seinem Kopf, mit seinen Sandalen wirbelte er den orangefarbenen Staub auf. Olivia erinnerte sich an Fischmahlzeiten, die
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