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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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wurden großzügig mit Aboriginefrauen versorgt, und viele dieser Beziehungen wurden jede Saison wieder erneuert. Natürlich entstanden so auch Kinder. Sie wurden einfach in die Großfamilien der Aborigines aufgenommen. Die Aboriginefrauen, die nach Sulawesi und auf andere Inseln mitgenommen worden waren, kamen gelegentlich mit den Booten zurück, um ihre Familien zu besuchen.
    Das Ufer ähnelte bereits einem Dorf. Am Strand lagen die Kanus und die
praus
aufgereiht. In tragbaren Räucherhütten aus Bambus wurde der Trepang getrocknet. Am Strand entlang machten Männer sich an runden Feuerstellen aus Stein zu schaffen, auf denen eiserne Kessel mit Meerschnecken kochten. Daneben waren Stapel Mangrovenholz aufgeschichtet. Mehrere Männer saßen am Boden und stampften Kolinerde, um Paste zum Kalfatern der Boote herzustellen. Unter schattigen Bäumen hatte man provisorische Hütten errichtet. An einem großen Feuer saßen davor die Stammesältesten der Aborigines vom nahe gelegenen Festland und die Anführer der Makassaren, die ihre Tabakpfeifen herumreichten.
    Als Tyndalls Boot anlegte, begrüßten sie ihn, und er grüßte seine Freunde auf malaiisch und in gebrochener Aboriginesprache zurück.
    Vor zwei Jahren war er zufällig auf diesen Ort gestoßen. Seitdem kam er jedes Jahr, denn es gab viel von den Händlern und den hiesigen Eingeborenen zu lernen. Außerdem hatte er hier einen einträglichen Tauschplatz gefunden. Tyndall handelte mit frischen Nahrungsmitteln, Reis, Mehl, Zucker, Marmelade, Fischereigerät, Petroleum und allerlei Zubehör für die kleinen Boote. Dafür gaben sie ihm getrocknetes Schildkrötenfleisch und Meeresfrüchte sowie Trepang, den er an die Chinesen in Fremantle und in anderen Küstenstädten verkaufte.
    Tyndall erkannte, daß allein Toleranz die friedliche Koexistenz zweier solch ungleicher Gemeinschaften gewährleistete. Ihre Handelsverbindungen konnten nur entstehen und fortbestehen, weil alle bedacht waren, die Traditionen und Sitten der anderen zu achten und zu verstehen. Natürlich ging das nicht ohne die üblichen Zwistigkeiten ab. Auch hier gab es Diebstahl, Streitigkeiten über Frauen und Verstöße gegen geheiligte Bräuche, die Vergeltungsmaßnahmen nach sich zogen. Dennoch, das Zusammenleben erwies sich über die Jahre hinweg als überwiegend friedlich und für beide Seiten von Vorteil. Man hatte ein Ritual des Zusammenlebens gefunden und gemeinsame Traditionen entwickelt.
    Bei einem Ausflug ins Landesinnere hatte man Tyndall einmal uralte Höhlenzeichnungen gezeigt, die sehr frühe Begegnungen der Küstenbewohner darstellten. Auch in Traumzeitgeschichten, in Liedern und Tänzen wurden diese Begegnungen überliefert.
    Tyndall setzte sich zu den Männern ans Feuer. Man tauschte Nachrichten aus. Später würde man Geschenke tauschen, man würde gut essen und eventuell sogar Schnaps aus Makassar trinken.
    Es ging unter anderem um Tauschgeschäfte, und einer der Stammesältesten fragte Tyndall, ob er ihm die gewünschte Axt mit dem extralangen Handgriff mitgebracht hätte. Tyndall erklärte dem Mann, daß er nicht nur die Axt mitgebracht hatte, sondern auch den Stein, um sie zu schärfen. Der Alte dankte mit einem Kopfnicken und vertiefte sich darauf in eine längere Unterhaltung mit seinen Stammesgenossen, der Tyndall nur schlecht folgen konnte. Es hatte etwas mit zukünftigen Streifzügen ins Hinterland zu tun. Tyndall geduldete sich, trank in Ruhe seinen Tee und brachte erst dann das Gespräch wieder auf die Axt. Er fragte den Alten, was er ihm dafür geben wollte.
    Dieser zeigte auf Tyndalls Perlenohrring, formte seine Hände zu einer Schale und deutete in Richtung Süden. Das konnte nur bedeuten, daß er als Gegenleistung für die Beschaffung der Axt an einem geheimen Ort, der nur den Leuten dieses Aboriginestamms bekannt war, nach Perlmutt suchen dürfe. Vielleicht würde er dort sogar die eine oder andere Perle finden. Das Angebot überraschte und freute Tyndall. Das könnte mir das große Glück bringen, dachte er voller Erwartungen.
    Er ging zu seinem Dinghi zurück, und wie ein Schatten tauchte Ahmed sofort an seiner Seite auf. Gemeinsam schoben sie das Boot in das mondbeschienene Meer. Ahmed ergriff die Ruder. Kein Wort wurde gesprochen. Ahmed hatte das Lager der Bugis besucht, um Neuigkeiten über die Gegend zu hören, die er einmal seine Heimat genannt hatte. Seit zwei Jahren war er nicht mehr zu Hause gewesen, seit dem Tag nämlich, da Tyndall ihn von einer unbewohnten

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