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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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sich noch einmal zu Olivia um.
    Olivia hatte wahrgenommen, daß die kleineren Feuer der Aborigines die beutesuchenden Moskitos und Sandflöhe in Schach gehalten hatten. Also machte sie es ebenso und richtete noch zwei kleinere Feuerstellen neben ihrem Hauptfeuer ein. Sie legte die gleichen grünen Blätter darauf wie die Eingeborenen. Der beißende Rauch tat seine Wirkung. Zufrieden kroch Olivia in ihren Verschlag, rollte sich mit dem Baby zusammen und schlief friedlich ein.
     
    Am nächsten Morgen kam Olivia ihren mütterlichen Pflichten nach, ganz als sei sie in einem normalen Haus und nicht mitten in der Wildnis. Sie ging mit dem Baby ans Meer und badete es. Dann trug sie es zurück und wusch das Salz mit einem Schwamm und Süßwasser ab. Voller Energie räumte sie auf, froh über ihr zufriedenes Kind und voller Vertrauen darauf, daß Conrad sich auf dem Weg zu ihnen befand. Der Koffer mit den Babysachen war nicht auf Anhieb zu finden, also riß Olivia einen Unterrock in Streifen und fertigte daraus Windeln und Umschlagtücher. Dann legte sie das Baby in die Trageschlinge der Aborigines und ging an den Strand. Sie genoß die Bewegung an der frischen Luft und konnte es immer noch nicht fassen, so kurz nach der Geburt ihres Kindes schon wieder auf den Beinen zu sein. Daheim in London hätte sie jetzt im Bett gelegen und schwach an einer Kraftbrühe genippt.
    Sie fand ein paar Muscheln, unter ihnen eine herrliche Kreiselschnecke. Dann versuchte sie, so wie die Eingeborenen mit den Füßen im Schlamm zu wühlen, und förderte tatsächlich ein halbes Dutzend kleiner Schalentiere zutage.
    Als sie in ihr Lager zurückkehrte, standen mehrere Männer am Wasser. Sie schienen einen Fischzug vorzubereiten. Einer der Männer fuhr in einem kleinen Einbaum los, zwei andere balancierten auf einem aus Mangroven gebauten Floß. Sie hatten Netze und Speere dabei. Einer der Männer, die ihr vom Vorabend bekannt waren, grüßte mit erhobener Hand und deutete auf ihr Lager. Dort fand Olivia ein kräftiges, geschwungenes Stück Baumrinde, das mit einem weichen Fell ausgelegt war. Eine Wiege. Erfreut legte Olivia das Baby hinein. Ihr kleiner Junge lag zufrieden in seiner Wiege und sah vertrauensvoll zu ihr auf. Der weiße Mann vom Strand hatte recht gehabt. Es lohnte sich, mit diesen Menschen Freundschaft zu schließen. Die ersten Erforscher dieser Gegend beschrieben die Eingeborenen als primitive Barbaren, so hatten sie und Conrad es in den Reiseberichten gelesen. Nun, vielleicht mochte man sie als ›primitiv‹ einstufen. Ihr Leben war sehr einfach, vor allem verglichen mit den vielen Annehmlichkeiten, die Olivias zivilisierte Welt zu bieten hatte. Aber während die verwöhnte Olivia so hier saß, begann sie umzudenken. Die Aborigines hatten wohl genau die Lebensweise entwickelt, die ihren Bedürfnissen am besten entsprach.
    Sie und Conrad würden bald ein Stück Land in Besitz nehmen, von dem sie immer dachten, daß es niemand gehörte. Ein verfallenes Pachtgebiet, gekauft von der Regierung in Perth. Sie hatten davon geträumt, das Land zu roden, ein Haus zu bauen, Landwirtschaft zu betreiben und Vieh zu züchten. Ihr Traum beinhaltete allerdings keine Eingeborenen, keine launischen Naturgewalten und auch nicht die Geheimnisse eines fremden Landes. Nie war ihnen die Idee gekommen, daß sie auch scheitern könnten. Nie hatten sie in Betracht gezogen, daß die Spuren ihrer Existenz genauso schnell vom Erdboden verschwinden könnten wie die Spuren ihrer Füße im Sand. Olivia rätselte über dieses fremde Land. Es schien schrecklich rauh zu sein. Die Eingeborenen jedoch, hatte sie festgestellt, lebten mit dem Land. Sie gingen dorthin, wo Nahrung, Schutz und Freunde waren. Sie schienen – Olivia suchte nach dem richtigen Wort – heimisch zu sein. Ja, das war es. Sie waren heimisch in diesem Land.
    Olivia seufzte. Dieses Thema führte für sie zu weit. Sie wußte zuwenig über das Land und die Leute, aber das würde sich ändern. Sie beschloß, soviel wie möglich zu lernen und wünschte, sie verstünde die Sprache der Einheimischen. Friedlich saß sie im Schatten bei ihrem Kind und sah zu, wie die Männer den Strand entlangpaddelten. Lautlos glitten sie über die Muster, die die Sonne auf das bewegte Wasser malte. Der Ruf exotischer Vögel erklang, eine warme Brise zerzauste ihr Haar. Olivia nahm den Rhythmus dieses Ortes in sich auf. Hier saß sie und wartete geduldig auf die Rückkehr ihres Mannes. Nichts anderes bewegte sie in

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