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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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diesem Moment. Dieses Gefühl, im Einklang mit sich selbst zu sein, verlieh ihr eine heitere Ruhe. Warum hatte sie so etwas früher noch nie empfunden?
     
    Etwas weiter nördlich segelte ein kleiner weißer Schoner in die sandigen, flachen Uferwasser eines winzigen Eilandes. Es lag nah am Festland, und die Sandbänke und Felsenriffe boten reiche Ernte an Trepang. Diese länglichen, primitiven Meerestiere, auch Seegurken genannt, galten als Delikatesse. Die Insel war nur zwei Kilometer lang und einen halben Kilometer breit. Und dennoch war ihr großer Strand voller Leben. Dort lag eine kleine Flotte malaiischer Boote,
praus
genannt. Eine Ansammlung von Hütten und der Rauch vieler Feuer ließen die Insel bewohnt aussehen. John Tyndall, der Kapitän des Segelschoners
Shamrock
, schmunzelte bei diesem Anblick. Mit geübter Hand reffte er das Hauptsegel und drehte den Bug in den Wind. Sein malaiischer Gehilfe, Ahmed, stand an der Ankerkette. Er wartete, bis das Schiff nah genug am Ufer war, damit sie bei Ebbe bequem an Land rudern konnten. Dann warf er den Anker, und die Kette fiel rasselnd über Bord. Von dem Krach aufgestört, flogen kreischend die Möwen auf. Tyndall lehnte entspannt an der Ruderstange und ließ den Blick über das Ufer wandern. Einige der Boote erkannte er. Das ist das wahre Leben, sagte er sich. Ein tropisches Paradies, mehr oder weniger jedenfalls, und ein bißchen Geschäftemacherei. Allerdings gab es auch in diesem Paradies ein Problem: Die Geschäfte waren eher Geschäftchen, und John Tyndall sehnte sich nach dem großen Geld.
    Seiner Meinung nach barg das Leben eine Fülle von Überraschungen. Er liebte die Unberechenbarkeit des Schicksals und hatte für sich entschieden, daß es auf dieser Welt keine Zufälle gab. Es war alles eine Frage von neuen Möglichkeiten und der Fähigkeit, sie zu erkennen und mit fester Hand zu ergreifen. Sobald du dir einen Plan gemacht hast, kommen die sogenannten Zufälle von selbst, lautete sein Credo. Alle sagten, er hätte das Glück der Iren. Er selbst behauptete, es ginge nur darum ›den Mut zu haben, von der Klippe zu springen, im sicheren Glauben, fliegen zu können‹.
    Manchmal staunte John Tyndall darüber, was ihm das Leben mit all seinen Freuden, Leiden und Abenteuern bis jetzt gebracht hatte. Die See hatte ihn schon immer gelockt. Zunächst war er in Belfast bei einem Schiffsbauer in die Lehre gegangen. Als Junge war er auf Fischerbooten mitgefahren. Da er schnell lernte und klug war, überquerte er schon bald auf Windjammern den Atlantik und brachte es zum zweiten Maat. Tyndall kam bei Frauen gut an. Dennoch war er schüchtern und zögerte, eine feste Bindung einzugehen. Das machte ihn zum idealen Opfer für die hübsche, ehrgeizige Amy O'Reilly. Sie arbeitete als Dienstmädchen in einem Gasthaus. Was ihr an guter Kinderstube fehlte, machte sie durch Gewitztheit wieder wett. Vor allem trieb sie der Ehrgeiz, im Leben voranzukommen. In dem gutaussehenden John Tyndall, einem Mann von freundlichem Wesen und vielversprechender Zukunft, sah sie ihre Chance auf ein besseres Leben. Sie beschloß, sich an ihn zu hängen. Wie geplant erlag er ihrem Charme und ihrem Liebreiz. So fand sich der junge Tyndall im jungen Alter von zwanzig Jahren verheiratet mit einer schwangeren und sehr anspruchsvollen jungen Frau, die ihn bearbeitete, ihre Lebensumstände schnellstens zu verbessern. Er ergriff die Gelegenheit und segelte nach Australien, um die Möglichkeiten dort zu erkunden.
    Gleich nach seiner Ankunft in Sydney fand er Arbeit bei einem Schiffsbauer. Sofort erhielt die schöne Amy eine ansehnliche Summe Geld mit der Ankündigung, er würde wieder zur See gehen, und zwar auf Walfang, da sei noch mehr Geld zu verdienen.
    Seine Schilderung von Sydney und ihrer gemeinsamen Zukunft dort lockten Amy nicht sonderlich, und sie überdachte ihre Lage noch einmal. Tyndall wußte nicht, daß sie mit dem Geld nach London fuhr, um Arbeit zu suchen und dort auf ihn zu warten. Die zweite Geldsendung nach Belfast wurde von Amys trunksüchtigem Vater, bei dem das Paar gewohnt hatte, umgehend in Alkohol umgesetzt. Bald darauf erhielt der Vater einen Brief von seiner Tochter, in dem sie klagte, daß sie ihr Kind verloren hätte. Es ginge ihr nicht gut, und in London sei eine Grippeepidemie ausgebrochen. Sie fragte, ob Tyndall nicht Geld geschickt habe. Der Vater antwortete, es seien weder Briefe noch Geld eingetroffen, und ihr Mißgeschick mache ihn sehr betroffen.
    Amy war eine

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