Tränen des Mondes
herabschlitterten. Während die ›schwarzen Teufel‹ in Deckung rannten, sah Conrad zu seiner Verblüffung, daß seine Frau sich umdrehte und heftig winkend auf ihn zulief.
Von fern rief sie ihm zu: »Nicht, Conrad, nein!«
Conrad sprang vom Wagen und eilte ihr entgegen. Während er sie in die Arme schloß, schluchzte Olivia: »Sie sind Freunde, Conrad, sie haben mir geholfen.«
»Meine liebe, liebe Olivia.« Er hielt sie mit einem unendlichen Gefühl der Erleichterung fest umschlungen. Als er zurücktrat, um sie zu betrachten, fiel ihm auf, daß sie nur Unterwäsche trug: Leibchen und Unterrock. Ihre Füße waren nackt, die Haare fielen ihr offen über die Schultern. Da bemerkte er, daß ihr Bauch verschwunden war. Wortlos faßte er sie an. Er spürte nur weiches Fleisch, es gab keinen gewölbten Leib mit gespannter Haut mehr.
Olivia lächelte ihn liebevoll an und nahm seine Hand. »Es ist alles in Ordnung, Conrad. Komm mit und sieh selbst.«
Aufgeregt führte sie ihn zu ihrem Unterschlupf. Während er von den Beschwerlichkeiten der Reise und seiner Besorgnis um sie sprach, versuchte Conrad, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß Olivia tatsächlich niedergekommen war. Sie zog ihren Mann vor dem Zelt auf die Knie und holte die kleine Baumwiege mit dem schlafenden Baby hervor. Dann lüpfte sie den zerrissenen Unterrock, der ihr Kind bedeckte.
»Wir haben einen Sohn bekommen, Conrad«, sagte Olivia leise.
Vorsichtig berührte der junge Vater das kleine Gesichtchen, bemüht, das Kind nicht zu wecken. »Aber wie hast du das geschafft, mein Herz? So ganz allein hier … es muß doch furchtbar gewesen sein.«
Olivia beruhigte ihn. »Nein, ich war in guten Händen. Die Frauen, die Aboriginefrauen, haben sich um mich gekümmert.«
Conrad starrte sie entgeistert an. Und er hatte auf diese Leute geschossen!
Olivia tätschelte seine Hand. »Geh und kümmere dich um das Pferd. Ich setze Wasser auf. Mach dir keine Gedanken wegen des Schusses. Ich bin sicher, sie kommen zurück. Vielleicht können wir uns ja auf irgendeine Weise erkenntlich zeigen. Oh, ich habe dir ja soviel zu erzählen.«
»Ich dir auch«, erwiderte Conrad und spürte plötzlich das Ausmaß seiner Erschöpfung. »Es grenzt an ein Wunder, daß ich überhaupt hier bin. Ich habe keine Ahnung, wie wir uns durch dieses unwegsame Gelände zurückkämpfen sollen. Offenbar war es keine gute Idee, hier an Land zu gehen.«
Olivia drückte seine Hand. »Conrad, mein Liebster, die
Lady Charlotte
… sie hat Schiffbruch erlitten. Es gibt keine Überlebenden. Wir haben doch das Richtige getan.«
Schaudernd zog Conrad seine Frau in die Arme.
»Bitte, gräme dich nicht, Conrad«, beschwor sie ihn. »Sieh doch nur die gute Seite – wir haben einen Sohn.«
Olivia ging noch einmal ans Wasser, um an den Strand gespülte Fische für ein bescheidenes Mahl einzusammeln. Sie konnte die Eingeborenen nirgends entdecken und rief nach ihnen, und obwohl keine Reaktion kam, war Olivia sich sicher, daß sie beobachtet wurde.
Währenddessen führte Conrad das Pferd in den Schatten und band es an. Der Wagen war im Sand steckengeblieben, und Conrad überlegte, wie er ihn am besten wieder freibekommen könnte. Als Olivia ihm etwas Wasser reichte, sah er, wie leer das Faß schon war. »Vielleicht können wir die Leute bitten, uns zu zeigen, wo wir Wasser finden können. Wir müssen unsere Vorräte für die Reise auffüllen.«
»Hör auf, dir Sorgen zu machen, Conrad. Komm und ruh dich aus. Der Fisch ist gleich fertig. Jetzt erzähl doch. Wie war es in der Stadt?«
Conrads Mund wurde schmal. »Ein ziemlich schäbiger Ort, fürchte ich. Überhaupt nicht das, was ich erwartet hatte. Aber wir können dort alles kaufen, was wir brauchen. In ungefähr einer Woche wird eine Ladung Schafe im Hafen eintreffen, und ich habe vor, für den Anfang ein paar zu kaufen. Wir sollten aufbrechen, sobald du dich stark genug für die Reise fühlst. Ich fürchte nur, es wird dir in Cossack nicht sehr gefallen. Ich meine, es gibt dort kaum Frauen und überhaupt geht es ein bißchen rauh zu.«
»Ich verstehe schon, Conrad. Ich tue, was du für richtig hältst. Weißt du, ich habe soviel von den Leuten hier gelernt. Hoffentlich gibt es in der Nähe unserer Farm auch Eingeborene.«
Conrad blickte sie entgeistert an. Er hatte nicht vor, sein Land mit Schwarzen zu teilen, und er wollte seinen wertvollen Besitz auch nicht irgendwelchen Risiken aussetzen. Er fürchtete Diebstahl, Wilderei
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