Tränen des Mondes
Insel in der Timorsee gerettet hatte. Ein Zyklon hatte den Perlenlogger versenkt, auf dem Ahmed gearbeitet hatte. Er hatte als einziger überlebt. Nichts konnte Ahmed davon abbringen, daß Allah ihm Tyndall als Retter gesandt hatte. Seitdem war er Tyndalls ergebener und loyaler Diener.
Die Aborigines hielten ihr Wort. Am nächsten Tag fuhren sie mit Tyndall und Ahmed in ihren Einbäumen zu den Perlengründen. Die Eingeborenen gingen geschickter mit den Einbäumen um als Tyndall und Ahmed, und die beiden mußten sich gewaltig anstrengen, um mitzuhalten. Die ungelenken, grob ausgehöhlten Einbäume glitten den Küstenstreifen entlang, zwischen Riffen und Sandbänken hindurch, bis sie in eine von Mangroven gesäumte, sumpfige Flußmündung kamen. Man ging an Land, und die Eingeborenen ließen sich auf einem schmalen Streifen grauen Sands inmitten von Wurzeln und Mangrovensprossen nieder. Man müsse jetzt warten, bis das Wasser abgelaufen sei, erklärten sie. Also warteten sie.
Als endlich Ebbe war, ergriffen die Männer lange Stöcke und begannen, damit im Schlamm herumzustochern, den sie mit ihren Füßen aufwühlten.
Bald schon förderten sie unter viel Lachen und Rufen die ersten großen Muscheln zutage. Ihre Schalen waren fest verschlossen und mit Seepocken verkrustet. Ahmed und Tyndall brachen die Muschelhälften auseinander und legten das feucht schimmernde Fleisch und den Schließmuskel bloß. Es dauerte nicht lange, und sie hatten drei kleine runde Perlen gefunden, die Tyndall zufrieden in seine Tasche steckte. So arbeiteten sie den ganzen Tag, die Einbäume füllten sie mit ungeöffneten Muschelschalen. Als die Flut einsetzte, schoben sie die Boote ins Wasser und paddelten zur Trepanginsel zurück.
Tyndall konnte sein Glück kaum fassen. Endlich wußte er, wo die Perlenbänke lagen. Endlich hatte er eine Chance, ins Geschäft einzusteigen. Und das war noch nicht alles. Die Aborigines hatten ihm von Perlengründen noch weiter südlich im Meer erzählt.
Eine Idee begann in Tyndalls Gehirn Gestalt anzunehmen. Die Perlenfischerei hatte sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem höchst einträglichen Geschäft entwickelt. Natürlich war der Weltmarkt für dieses Produkt den üblichen Schwankungen unterworfen, oder es gab Katastrophen wie den furchtbaren Zyklon, der vierzig Perlenlogger mit mehreren hundert Männern in die Tiefe riß. Es war eben eine Branche für Männer, die keine Angst vor dem Risiko hatten, Kampfgeist besaßen und ihre Erntegründe geheimhielten. Mit einer zuverlässigen, profitablen Quelle und den Ortskenntnissen seiner Aboriginefreunde fehlte ihm nur noch ein kapitalkräftiger Partner, um ernsthaft in das Perlengeschäft einzusteigen. Die Perlenbarone würden sich noch umsehen!
Als er diese Nacht mit Ahmed am Feuer saß, konnte er der Verlockung nicht widerstehen und öffnete eine Muschel nach der anderen. Die Möglichkeit, eine Perle zu finden, spornte ihn an. Versonnen rollte er die mondfarbenen Kugeln in seiner Handfläche und sagte schließlich zu Ahmed: »Mein Freund, ich glaube, ich werde ins Perlengeschäft einsteigen. Zunächst müssen wir uns mit dem alten Schoner zum Muschelsammeln begnügen, aber mit ein bißchen Glück werden wir bald ein besseres Boot besitzen.«
Ungerührt antwortete Ahmed »Wir bauen großen Logger, Tuan.«
»Für den Anfang werden wir von Cossack aus operieren. Allerdings darf niemand etwas über diese Stelle hier erfahren. Und dann werden wir bald schon Broome erobern … Ich glaube, das ist die Chance, auf die ich gewartet habe.«
»Ist Schicksal, Tuan. Zeit ist reif.«
Es amüsierte Tyndall, wie fest Ahmed an das Schicksal glaubte, ganz wie es seinem muslimischen Glauben entsprach. Sein Freund war überzeugt, daß sie alles hinnehmen mußten, was das Leben an Gutem und Schlechtem zu bieten hatte, weil sie es sowieso nicht ändern konnten. Manchmal ärgerte sich Tyndall über diese Schicksalsergebenheit, aber heute fand auch er, daß die Götter es gut mit ihm meinten.
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Sechstes Kapitel
C onrad Hennessy hielt sich nicht für besonders mutig. Mutige Männer vollbrachten Heldentaten und nahmen jede Herausforderung an. Von so etwas träumte er höchstens in seinem bequemen Lehnstuhl. Solche Männer waren wagemutig, wenn nicht sogar leichtsinnig. Nichts konnte sie von einem Vorhaben abhalten. Immerhin besaß Conrad Zivilcourage, und zählte er auch nicht zu den Unerschrockensten, so machte er das durch seine beständige und zielstrebige Art
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