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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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ging in den Schuppen zurück, nahm das Messer zur Hand und brach die Muschelschale auf. Sobald sein Finger die kugelige Form ertastete, wußte er, daß das keine normale Perle war … dies war ein echtes Juwel. Er rollte die Perle in seiner Handfläche … sie hatte einen warmen Goldton, wog mindestens vierundzwanzig Gran und schien von innen heraus zu leuchten.
    »Ah, Allah ist groß«, flüsterte Ahmed. Rasch lief er zur Tür, um Olivia zurückzurufen. Doch er zögerte, steckte die Perle in die Tasche und warf die Schalen in einen Sack. Die Kupanger wechselten einen Blick, sagten aber nichts.
     
    Conrad war ganz beflügelt von den Zahlen in seiner Buchführung. Ebenso von der Perlensammlung, die er in einer kleinen abschließbaren Kassette aufbewahrte und jeden Abend mit nach Hause nahm.
    »Uns geht es gut, zumindest auf dem Papier«, berichtete Conrad seiner Frau. Sie befanden sich gerade auf dem Weg zum Hotel Continental, wo sie oft zu Mittag aßen. »Natürlich kommen noch Ausgaben auf uns zu: Die Mannschaft muß bezahlt werden, am Boot sind Reparaturen auszuführen und so weiter. Aber alles in allem muß ich sagen, die Zukunft sieht rosig aus.«
    Beim Essen brachte Conrad vorsichtig die Sprache auf Olivias Besuche im Muschelschuppen. »Das ist wirklich nicht nötig, meine Liebe. Man kann Ahmed die Abrechnung und alles andere anvertrauen.«
    Bewußt langsam kostete Olivia zunächst einen Löffel Suppe, bevor sie antwortete. »Conrad, ich weiß, daß wir ihm trauen können. Aber wie ich dir schon einmal erklärt habe, gehört das Geschäft auch mir. Ich lerne viel. Die Männer fangen an, mir Geschichten über das Perlenfischen und den Perlenhandel zu erzählen. Manche sind amüsant, andere wiederum schrecklich tragisch. Es fasziniert mich, Conrad. Und ich möchte weiter dorthin gehen.«
    Conrad fühlte sich unbehaglich. Ein paar seiner Freunde im Klub hatten schon Bemerkungen über ihre Besuche bei den Arbeitern fallen lassen. Ein Zeichen dafür, daß die Gerüchteküche der Stadt kochte. »Es ist nur, daß … äh … einige Leute dein Benehmen etwas merkwürdig finden, Liebste.«
    »Das kann ich mir vorstellen, aber sie müssen sich eben daran gewöhnen«, entschied Olivia. Dann wechselte sie das Thema. »Dieser Ahmed imponiert mir. Ich glaube, ich würde ihm mein Leben anvertrauen.«
    Conrad stimmte erleichtert in das neue Thema ein. Er war froh, weitere Spannungen zwischen ihnen beiden zu vermeiden. »Auf jeden Fall ist er John völlig ergeben. Und er ist auch sehr tüchtig. Seltsam, für sich selbst scheint er nicht viel zu verlangen. Vielleicht hat es damit zu tun, daß er Moslem ist. Er betet ständig. Das geht mir ganz schön auf die Nerven. John hat ihm das Leben gerettet, wußtest du das? Wahrscheinlich ist er ihm darum so treu ergeben.«
     
    In der folgenden Woche brachten Tyndall und Ahmed den Logger auf Vordermann und nahmen noch ein paar Änderungen an der Takelage und im Laderaum vor. Vor dem Auslaufen luden Conrad und Tyndall Olivia zum Mittagessen in das Hotel Continental ein.
    »Was für ein unerwartetes Vergnügen, Kapitän Tyndall«, bemerkte Olivia, als sie alle bestellt hatten und der Champagner in ihren Gläsern perlte.
    »Für mich auch. Es gibt einen besonderen Anlaß.«
    »Oh, das erklärt den Champagner. Aber was ist denn der Grund für diese Feierlichkeit am hellen Mittag?«
    Tyndall griff in seine Tasche und reichte Olivia einen kleinen Stoffbeutel. »Der erste Ertrag aus Ihrer Kapitalanlage«, sagte er nonchalant.
    Olivia sah zu Conrad hinüber. Der lächelte. »Mach es doch auf«, drängte er.
    Olivia öffnete den Beutel und ließ seinen Inhalt in ihre Hand gleiten. Es war ein goldener Ring mit einer großen Perle. Olivia stockte der Atem.
    »Ahmed hat sie gefunden. Er sagte, daß sie in der letzten Muschel lag, die er öffnete«, erklärte Conrad. »Wir waren uns alle einig, daß du sie haben sollst.«
    Olivia sah beide Männer dankbar an. Ihr fehlten die Worte. Sie schob den Ring auf ihren rechten Ringfinger und bewunderte ihn von allen Seiten. »Er ist wunderschön. Ich danke euch beiden. Und Ahmed natürlich.«

[home]
    Achtes Kapitel
    O livia hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, bei Sonnenuntergang einen Spaziergang am Wasser zu machen und zuzusehen, wie der rote Sonnenball im türkisblauen Meer versank. Das Farbenspiel in der Bucht faszinierte sie ebenso wie das bunte Treiben am
Streeter's Jetty
, diesem endlos langen hölzernen Anlegesteg, den einst ein englischer

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