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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Perlenhändler dieses Namens mitten durch die Mangrovenhaine gezogen hatte, als die kleine Stadt noch eine bescheidene Buschsiedlung war. Hier entluden die Perlenlogger ihre kostbare Fracht, und wenn bei Ebbe die Wasserstraßen und Kanäle trockenfielen, saßen die Boote auf ihren runden Kielbalken im Schlick. Olivia erschien es dann immer so, als ob ein gewaltiger Sturm oder eine mächtige Flutwelle über das Ufer gebraust sei und die stämmigen Boote auf die Seite geworfen hätte.
    In diesem Teil der Stadt herrschte immer reger Betrieb, und Olivia war sich der vielen mißtrauischen und neugierigen Blicke wohl bewußt, die ihr folgten. Männer unterschiedlichster Nationalitäten gingen hier ihrer Arbeit nach, tummelten sich auf den Booten, die sie entluden oder zum Auslaufen bereitmachten, riefen und sangen, während sie die Segel flickten, die Boote reparierten oder Muscheln sortierten. Doch bald schon hatten sie sich an den Anblick dieser schönen weißen Frau gewöhnt, die, anders als die anderen weißen Damen, mitten unter ihnen einherging, ihr Tun mit Interesse verfolgte, manch schüchternes Lächeln mit ihnen tauschte und sie auf malaiisch grüßte.
    Bei einem dieser frühabendlichen Spaziergänge sah Olivia bei Flut die
Bulan
mit Tyndall am Bug hereinkommen. Sie ging ihnen bis zum Ende des Anlegers entgegen. Tyndall schwenkte seine Kapitänsmütze zur Begrüßung und zeigte mit dem Daumen nach oben. »Woher wußten Sie, daß ich komme? Sie ahnten wohl, daß ich einen guten Fang gemacht habe und wollten sehen, was Ihnen Ihre Investition eingebracht hat, was?«
    Olivia lachte. »Reiner Zufall, obwohl Ahmed mir heute morgen gesagt hat, daß Sie jeden Tag einlaufen würden. Er beaufsichtigt die Arbeit in den Muschelschuppen, das Sortieren, das Verpacken und so weiter. Ich glaube aber, daß er lieber mit Ihnen gefahren wäre. Wie ist es Ihnen ergangen? Haben wir Grund zum Feiern?«
    Tyndall zog das Schiff an der Bootsleine näher an den Anleger heran, dann streckte er seine Hand aus und half Olivia an Bord. »Ich glaube, wir dürfen zufrieden sein. Conrad wird sich freuen, daß er wieder einen hübschen Gewinn in seine ordentlichen Büchern eintragen kann.«
    Olivia wollte nichts auf ihren Mann kommen lassen. »Ordentlich sollten sie schon sein. Nur so kann man ein Unternehmen mit Erfolg führen.«
    Tyndall hob die Hände wie zu seiner Verteidigung. »Entschuldigen Sie. Es war nicht als Beleidigung gemeint. Sie haben natürlich vollkommen recht. Ich mache mir nun einmal nichts aus Buchführung. Kommen Sie, schauen Sie sich unsere Ausbeute an.«
    Die zwei Kupanger hatten bereits das Segeltuch von der Luke gezogen und schoben nun auf Tyndalls Geheiß die Planken über der Öffnung beiseite. Die Luke war bis zum Rand mit prallen Muschelsäcken gefüllt. Der Gestank ließ Olivia aber erst einmal zurückweichen.
    »Wir haben einen wirklich ergiebigen Perlengrund gefunden, aber ich denke, mehr wird er nicht hergeben. Eine Fahrt noch, dann ist Schluß.«
    Sie gingen nach achtern in die Kabine.
    »Du meine Güte«, rief Olivia überrascht aus. »Wie ordentlich es hier ist.«
    »Nur so kann man ein Schiff mit Erfolg führen«, mokierte sich Tyndall.
    Erst als sie sich zu ihm umdrehte, bemerkte Olivia, daß er sich nur lustig machen wollte und sie anschmunzelte. »Der Punkt geht an Sie«, meinte sie huldvoll und setzte sich auf eine der beiden Kojen. »Ich möchte das nächste Mal gerne mitkommen.«
    Tyndall war völlig verblüfft. »Warum das denn? Es ist …« Er suchte nach den richtigen Worten. »Na ja, es ist langweilig … unbequem … und es schickt sich nicht.«
    »Es schickt sich nicht«, echote sie. »Du meine Güte, Sie klingen wie Conrad, wenn er seine konservativen Anwandlungen hat. Ich weiß, daß die Frauen von Perlenunternehmern manchmal mit auf See gehen, ich glaube auch nicht, daß mir langweilig wird, und im übrigen kann ich ganz gut mit Unbequemlichkeiten umgehen … wie Sie sehr wohl wissen, Kapitän Tyndall.«
    Tyndall versuchte einzulenken. »Na gut, wenn Conrad einverstanden ist, können Sie mitkommen. Aber gehen wir doch an Land und lassen wir die Mannschaft mit dem Entladen anfangen. Ich will in ein paar Tagen wieder auslaufen.«
     
    Conrad hielt Olivias Wunsch, das nächste Mal auf der
Bulan
mitzusegeln, zunächst für einen Scherz, bis er merkte, daß sie es tatsächlich ernst meinte. »Kommt nicht in Frage. Es ist gefährlich, unbequem und schickt sich nicht. Schickt sich ganz und gar

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