Tränen des Mondes
welche zum Muschelsammeln im flachen Wasser an. Wollen Sie nicht mitkommen?« fragte Tyndall und zog die Augenbrauen hoch.
»Ich habe hier zu tun. Wir haben uns noch nicht fertig eingerichtet. Aber vielen Dank für das Angebot«, erwiderte Olivia und überging seinen spöttischen Unterton. »Nächstes Mal komme ich sicher mit«, fügte sie keck hinzu und neigte hoheitsvoll den Kopf. Dann entdeckte sie Ahmed im Türrahmen.
»Vielen Dank, daß Sie mir Ahmed mit dem Sulky geschickt haben. Ich glaube, so stilvoll in der Residenz einzutreffen, hat bestimmt einen guten Eindruck gemacht.«
Sie lächelten sich an. Conrad dankte Tyndall ebenfalls.
»Das war wirklich sehr anständig von Ihnen. Wir müssen uns auch um ein Gefährt kümmern«, sagte er.
»Erst einmal sollten wir eine Ladung Perlmutt verkaufen. Ich hoffe doch sehr, daß die
Star of the Sea
uns auch Profit einbringen wird, und zwar bald.« Olivia legte die Betonung auf das letzte Wort.
»Na, da haben wir ja unseren Marschbefehl erhalten, Conrad«, scherzte Tyndall, nachdem Olivia aus dem Raum gerauscht war. Insgeheim fragte er sich jedoch, wie gut er wohl in Zukunft mit der Frau seines Partners zurechtkommen würde.
Während Conrad sich glücklich an seinem Schreibtisch einrichtete, stachen Ahmed und Tyndall wieder in See. Beide waren froh, das Büro hinter sich zu lassen. Mit ihrer neuen Mannschaft steuerten sie die
Bulan
in Richtung Süden zu den noch unberührten Muschelbänken, die ihnen von ihren Eingeborenenfreunden gezeigt worden waren. Es war kein Problem, Männer zu finden, die ihnen gegen Tabak, Mehl und Zucker die flachen Wasser bei Ebbe nach Muscheln absuchten. Diese Arbeit war dem Strandgutsammeln nicht unähnlich. Man brauchte gute Augen, um die flachen, grauen Schalen im sandigen Wasser zu entdecken. Wenn die Flut kam, wurden sie weggespült.
Die Arbeit ging nur langsam voran, da das Wasser die Muschelbänke viele Stunden am Tag bedeckte und die Arbeiter immer wieder lange warten mußten. Aber allmählich wuchsen die Muschelberge am Strand. Sie hatten zwei Kupanger angeheuert, die jetzt unter Ahmeds Argusaugen damit beschäftigt waren, die Muscheln zu öffnen und zu säubern. Die beiden hatten einen guten Leumund, aber Ahmed traute niemandem, wenn es um Perlen ging. Er wußte, daß es nur einer kleinen Handbewegung bedurfte, um ein Perle zu verstecken, wenn die Versuchung einmal zu groß wurde.
Als der Laderaum und ein Teil des Maschinenraums nach einigen Tagen mit Muscheln gefüllt waren, zurrten sie die Säcke mit den restlichen ungeöffneten Schalen an Deck fest und machten sich auf den Heimweg.
Sie erreichten Broome mit der Flut. Sofort wurde Ahmed losgeschickt, um Conrad zu holen. Der kam alsbald angestürzt und kletterte an Bord auf das überladene Deck, um Tyndalls Hände zu schütteln.
»Meine Güte, das sieht ja nach einem erfolgreichen Fang aus. Ist der Laderaum auch voll?«
»Bis oben hin, Conrad. Und die Muscheln sind von guter Qualität. Wir haben nicht sehr viele Perlen gefunden. Hauptsächlich kleine Barockperlen. Allerdings haben wir noch die Muschelladung an Deck zu öffnen. Wie ist es hier gelaufen?«
»Ich habe die meisten Perlmutthändler besucht und über Konditionen verhandelt. Bis jetzt habe ich noch nichts Endgültiges vereinbart. Ich muß schon sagen, einige sind ganz schön zwielichtige Gestalten. Dann haben wir ein Telegramm aus Perth bekommen. Der Vertreter eines großen europäischen Perlenhändlers möchte die Option auf alle Perlen, die wir finden. Wie hat der nur herausgefunden, daß wir im Geschäft sind?«
»Die Buschtrommel, mein Freund. Perlen sind ein knallhartes Geschäft. Hier geht es um viel Geld. Da sind auch Informationen einen Lohn wert. Ohne Zweifel hat irgend jemand in dieser Stadt etwas dafür bekommen, daß er die Nachricht von unserem neuen Unternehmen an Kontaktleute im Süden weitergegeben hat.«
Es herrschte immer noch Flut. Tyndall und Conrad wollten möglichst viel Ladung löschen, ehe die
Bulan
trocken lag. Wenn sie erst einmal im Schlick aufsaß, war sie vom Anleger aus nicht mehr erreichbar. Mit nacktem Oberkörper begann die Mannschaft, die Muschelsäcke vom Logger zu werfen. Conrad führte Buch und überwachte den Abtransport der Ladung zu ihrem Lager am Ufer.
Am nächsten Tag machten sich Ahmed und die Kupanger daran, die restlichen Muscheln zu öffnen, die dann auch in das Lager geschafft werden sollten. Kaum hatten sie angefangen, da tauchte Olivia auf, unangemeldet
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