Tränen im Regen
Verbindungen zum FBI, soviel wusste er, und er wusste auch, dass sein Onkel immer zur Stelle war, wenn jemand Hilfe brauchte. Aber Kilian wusste leider ebenfalls, dass Adrian, wenn er nicht wollte, stur wie ein Bock sein konnte. Und irgendwie hatte er das ungute Gefühl, dass Adrian in puncto Alex jede seiner Fragen unbeantwortet lassen würde.
Kilian schob das Thema Adrian fürs Erste beiseite. „Wieso ist er gegangen? Ich versteh' das einfach nicht. Alex ist gar der Typ für solche spontanen Aktionen.“
Mikael zuckte ratlos die Schultern. „Ich verstehe es auch nicht. Niko hat mir erzählt, Alex hätte sich schon seit Wochen merkwürdig benommen, aber immer, wenn er gefragt hat, was los ist, hätte Alex abgewunken und gemeint, es wäre nichts.“
Das war ihm auch aufgefallen. Er hatte nur nicht nachgefragt, was los war, musste sich Kilian zu seiner Schande eingestehen. Wenn er mit Alex zusammen gewesen war, hatten sie andere Sachen getan, als sich über ihr Leben zu unterhalten. Meistens jedenfalls.
„Es tut mir alles so leid, Dad“, sagte er, weil er einfach nicht wusste, was er sonst hätte sagen können, worauf Mikael sich neben ihn setzte und ihn in seine Arme zog. „Das alles. Mit Alex und der Diebstahl und mein Verhalten. Einfach alles.“
„Ich weiß, und es ist okay, hörst du? Wir kriegen das schon hin. Ich liebe dich, Frechdachs. Das habe und werde ich immer.“
Kilian erwiderte Mikaels Umarmung und presste sich eng an seinen Vater. Wie sehr er diese Nähe zu seinen Vätern in den letzten vier Wochen vermisst hatte, fiel ihm erst jetzt auf. „Dad? Muss ich ins Gefängnis?“
„Nein.“ Mikael gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Haare. „Da du dir bisher nichts zu Schulden hast kommen lassen, meint Adrian, dass du wahrscheinlich mit einer Geldstrafe davonkommst. Bei Noah ist er sich nicht sicher.“
Scheiße, dachte Kilian, und war gleichzeitig erleichtert, dass er vielleicht mit einem blauen Auge davonkam. Das war Noah gegenüber zwar nicht sehr fair, aber er wollte nicht ins Gefängnis. Allein der Gedanke bescherte ihm schon Übelkeit. Kilian verkniff sich ein Stöhnen, als ihm etwas anderes einfiel.
„Ich zeichne nicht mehr.“
Mikael schwieg kurz, dann fragte er, „Seit Alex weg ist?“
„Ja“, gestand Kilian und ließ zu, dass Mikael sich von ihm löste, um ihn ansehen zu können. „Kein Bild, keine Idee, rein gar nichts. Ich werde noch völlig verrückt. Ich muss zeichnen können, Dad. Ich kann nicht ohne.“
„Ich weiß.“ Mikael streichelte ihm über die Wange. „Wir wär's mit einem Tapetenwechsel? Komm zu uns. Für ein paar Tage oder Wochen. Einfach mal raus aus deinem Haus, vielleicht hilft es.“
Der Vorschlag war verlockend, aber er sollte erstmal zu Hause und vor allem in seinem Leben klar Schiff machen. Es wurde Zeit, dass er wieder auf die Beine kam. „Ich bin langsam zu groß, um mich von euch verwöhnen zu lassen.“
„Dafür wirst du nie zu groß sein“, konterte Mikael lächelnd, was ihn grinsen ließ, bevor er sagte,
„Ich denk' drüber nach.“
„Okay.“ Sein Vater nickte und wurde auf einmal ernst, während er in Richtung Flur deutete. „Tu mir bitte den Gefallen und rede mit deinem Vater, bevor du nach Hause fährst.“
Kilian verstand, was Mikael nicht direkt aussprechen wollte. Sein Flüchten vor Colin musste dem sehr wehgetan haben, und plötzlich wusste Kilian auch, was ihn an seinem Vater vorhin gestört hatte. Dessen Ruhe. Das passte nicht zu Colin und deswegen stand er auf, als Mikael ihn losließ, und machte sich auf die Suche nach Colin. Er hörte Nick und Tristan in ihrer Küche mit den Zwillingen reden und Niko saß vor dem Haus in der schon seit Jahren quietschenden Schaukel auf der großen Veranda, mit David in ein leises Gespräch vertieft. Kilian wollte die Zwei nicht stören und ging um ihr Haus herum in den Garten, wo er dann fündig wurde.
Adrian und Colin saßen gemeinsam auf der Terrasse und Adrian sah zu ihm, als er sich räusperte. Da er nicht genau wusste, wie er am besten anfangen sollte, schob Kilian die Hände in die Hosentaschen und schaute mal wieder verlegen zu Boden, was Adrian seufzen ließ. Schweigen kehrte ein und als Kilian sich nach einiger Zeit traute den Kopf zu heben, war er mit Colin allein, der ihn nachdenklich musterte.
„Redest du jetzt gar nicht mehr mit mir?“
Es waren nicht Colins Worte, sondern die deutlich herauszuhörende Traurigkeit, die Kilians Beherrschung in sich zusammenfallen
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