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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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nach dem Basecap, das sein Praktikant
     zusammen mit seinen Sachen unter Tillas Kopf gelegt hatte, um es zumindest etwas vor dem Regen zu schützen. Sälzer setzte
     das Basecap auf. »Also, diese Ella da hat nichts mitbekommen. Und wer ist Freddy?«
    »Ihr Freund. Der Typ mit dem Tirolerhut vor dem Kiosk.«
    Sälzer bemerkte, wie sein junger Streifenpartner vergebens versuchte, nicht auf seinen nassen, unförmigen Körper und seine
     Unterhose zu sehen. Er wickelte sich das Handtuch um die Hüften und zog sein T-Shirt wieder über. Er fragte sich dabei kurz, was für ein Typ Ella war, wenn sie Tirolerhut, Zigarillos und Goliathnase anziehend
     fand. »Und die anderen?« Er deutete kurz mit dem Kinn zum Kiosk. »Sehen aus, als wären sie Stammgäste.«
    »Auch nichts. Sie waren an dem Abend bei der Telpener Tafel.«
    »Es hat also keiner was gesehen.« Sälzer fuhr sich mit den Fingern über die Nasenflügel und strich die Wassertropfen ab. »Beschissener
     geht's gar nicht.«
    »Gehen wir noch mal alles chronologisch durch«, sagte Masaryk.
    Sälzer grinste innerlich.
Chronologisch
war eins von Matej Masaryks Lieblingswörtern.
    »Flora Duve fährt am Mittwochabend alleine mit dem Fahrrad zum See, laut ihren Angaben gegen 20:30   Uhr. Sie stellt das Fahrrad dort drüben am Baum ab. Setzt sich ans Ufer. Guckt in den Sternenhimmel, denkt nach, all so was
     eben.«
    Sälzer setzte sich auf die Holzschildkröte und trocknete sich die Füße mit dem Handtuch ab.
    Matej holte einen Zettel aus der Hosentasche, faltete ihn auseinander. »Kurz nach 21   Uhr fährt laut Aussage von Constanze Kempowski ein Radfahrer vom See Richtung Stadt. Flora müsste aberzu dem Zeitpunkt noch wohlbehalten am See sitzen, denn   ...«
    »Kurz vor 22   Uhr ruft ihre Mutter an«, fuhr Sälzer fort. »Flora klingt ganz normal. Sie sagt, sie würde bei einer Freundin übernachten.«
    Matej nickte. »Sie steckt das Handy weg, zieht sich aus. Sie will baden gehen. Sie hat das Gefühl, jemand beobachtet sie,
     ist in ihrer Nähe.«
    »Der Täter nähert sich ihr, vermutlich von hinten oder von der Seite – aus dem See wird er ja wohl nicht gekommen sein.« Sälzer
     hielt kurz inne. »Selbst das können wir nicht ausschließen.«
    »Dann verliert sie das Bewusstsein. Wodurch können wir nur spekulieren. Ein Schlag oder ähnliche Gewalteinwirkung müssen wir
     wahrscheinlich ausschließen, da hätten die Ärzte etwas gefunden. Vielleicht   ...«, überlegte Masaryk laut, »...   war es der Schrecken, der Schock.«
    »Vielleicht hat sie auch gar nicht das Bewusstsein verloren.«
    Masaryk sah seinen älteren Streifenpartner fragend an.
    »Gut möglich, dass sie nur jegliche Erinnerungen verdrängt.« Sälzer schielte kurz zum Schild seines Basecaps, an dem ein Regentropfen
     hing. »Ist manchmal ganz praktisch. Das macht das Gehirn, um mit solchen Ereignissen fertig zu werden.«
    »Wenn sie bei Bewusstsein gewesen wäre, hätte sie sich dann nicht gewehrt? Die Spurensicherunghat nichts gefunden, was auf einen Kampf hindeuten könnte.«
    Sälzer zuckte mit den Schultern. »Vor Angst wie gelähmt. Schon mal gehört?« Er schnippte den Regentropfen an seinem Basecap
     mit dem Zeigefinger weg, dann sah er auf den See. »Der Täter schwimmt mit ihr zur Badeinsel. Er muss ein guter Schwimmer sein,
     kräftig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Mann. Allerdings kann auch eine gut durchtrainierte, große Frau nicht ausgeschlossen
     werden.«
    Masaryk ging am Ufer zwei Schritte in die eine Richtung, dann in die andere. »Wieso hat der Täter sie nicht am Ufer   ... Wieso hat er ihr nicht hier die Wunden zugefügt?«
    »Wenn er sie ihr zugefügt hätte, bevor er mit ihr zur Badeinsel geschwommen ist, hätten die Wunden anders ausgesehen. Sie
     wären durch das Seewasser verunreinigt gewesen, wir hätten Blutspuren am Ufer gefunden.«
    »Das meine ich nicht. Ich frage mich, wieso sich der Täter die Mühe gemacht hat, mit dem Opfer zur Badeinsel zu schwimmen.
     Welchen Sinn ergibt das?«
    »Mehr Effekt.« Sälzer blickte zur Badeinsel. Welchen Sinn ergab es, ein sechzehnjähriges Mädchen überall am Körper aufzuschlitzen?
     »Der Täter wollte schocken, ein Zeichen setzen. Seine Macht zeigen.«
    Masaryk nickte langsam. »Er schwimmt also mit ihr zur Insel. Legt sie in die Mitte.«
    Sälzer und Masaryk sahen zur Badeinsel. Einen Moment war nur das Tröpfeln des stärker werdenden Nieselregens zu hören.
    »Dann bringt er ihr die Verletzungen bei«, fuhr

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