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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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etwas konkreter?
    A: Wissen Sie, es kommt nicht nur darauf an, was man für Fragen stellt, sondern auch, wem man sie stellt. Und Sie haben sich
     für Ihre schlauen Fragen den Falschen ausgesucht.
    F: Danke, Herr Duve. Es war sehr interessant, mit Ihnen zu reden. Vielleicht hat mein Kollege noch ein paar Fragen. Von mir
     werden Sie mit Sicherheit nichts mehr hören.
    ***
    Sie sitzt auf dem Fensterbrett. Verwachsen mit dem Holz. Ein knorpeliger Ast. Reglos und hässlich. Sie lehnt den Kopf so dicht
     es geht an die Scheibe. Stellt sich vor, die Tropfen daran wären ihre Tränen. Sie laufen in kleinen Rinnsalen hinab. Es kitzelt
     kühl auf ihrer Haut. Jeder Tropfen ein Gedanke. An ihn. An sie. An das, was wird.
    Sie fährt sich über den Arm. Spürt die Narben. Die nicht so schmerzen wie seine Worte. Er war am See. Hat sie verlassen. Verraten.
     Ist nie zurückgekehrt. Er hat die Wunden nie gesehen.
Er hat mich nie gesehen
. War noch nicht einmal einäugig.
     
    Ihr Handy klingelt. Sie zuckt zusammen. Sieht auf den Namen. Ein Schriftzeichen, der Anblick vertraut, die Bedeutung verloren
     gegangen. Was will sie noch? RedenRedenReden. Worte wie Teer in der prallen Sonne. Es ist alles gesagt.
    Freundschaft hält stand in allen Dingen,
    nur in der Liebe Dienst und Werbung nicht.
    Sie dachte, sie wäre da, für diese kleine Ewigkeit Leben. Dachte, sie könnte sie halten. Sand, warm und vertraut, rinnt durch
     die Finger. Will zum Meer. Weit hinaus und weg von ihr. Wie alle und alles. Nichts und niemand wird zurückkommen. Nichts wird
     wie es war.
    Sie wissen es noch nicht,
aber ich weiß es.
     
    Sie rutscht mit dem Rücken an der Wand hinunter, liegt halb auf dem Fensterbrett, trommelt leise mit den Fingern an die Scheibe.
     Aus der Ferne nähert sich ein Lied. Sie summt.
    Es waren zwei Königskinder,
    die hatten einander so lieb,
    sie konnten zusammen nicht kommen,
    das Wasser war viel zu tief   ...

16.   Kapitel
    »Polizeihauptmeister Sälzer! Dürfte ich Sie kurz stören?« Herr Heinrich lief mit kleinen, schnellen Schritten den Flur der
     Polizeiinspektion Telpen entlang.
    Sälzer zog den Pfefferminzteebeutel aus der Tasse, warf ihn mit Schwung in den Müll und blickte auf.
    »Da ist eine Dame, die den dringlichen Wunsch geäußert hat, den Herrn Polizeihauptmeister zu sprechen. Sie wollte mir nicht
     sagen, in welcher Angelegenheit und beharrte darauf, nur mit Ihnen persönlich zu reden.«
    »Wo ist die Dame jetzt?«
    »Ich habe sie gebeten, vorne auf einer der Sitzgelegenheiten beim Empfang Platz zu nehmen.«
    »Ausgezeichnet, Heinrich.« Sälzer folgte Herrn Heinrich den Flur nach vorne zum Empfang.
    Ein paar Schritte vor dem Empfang blieb Herr Heinrich stehen. »Dort sitzt die betreffende Dame.«
    »Danke.« Sälzer nickte kurz und ging mit der Teetasse in der Hand auf die Frau zu, die auf einem der drei Wartesitze saß.
     Die Frau war groß und krumm wie ein Fragezeichen.
    »Polizeihauptmeister Sälzer. Sie wollten mich sprechen?«
    Die Frau schoss nach oben. Hektisch zog sie etwas aus der Tasche und hielt es Sälzer auf Hüfthöhe hin.
    Sälzer wich erschrocken ein Stück zurück, Tee schwappte auf seine Schuhe. Es war ein Messer.
    »Hier«, sagte die Frau. Ihre Stimme knarzte. »Das wollten Sie doch.«
    Sälzer sah auf das Messer. Es war ein Taschenmesser, die Klinge ausgeklappt. »Was wollte ich?«
    »Ihr junger Kollege sagte, wenn das Messer wieder auftaucht, soll ich zur Polizeiwache gehen und es Ihnen geben. Ich habe
     es in meiner anderen Sommerjacke gefunden.«
    »Und Sie sind?«
    »Annedore Panier. Ich habe den Liegeradfahrer in der Tatnacht gesehen. Ihr junger Kollege hat doch alles protokolliert. Haben
     Sie das nicht gelesen?«
    »Doch. Selbstverständlich. Sie haben also Ihr Taschenmesser wiedergefunden.«
    »Ja. Ich hatte es offenbar eingesteckt, als ich meine andere Jacke anhatte. Die trage ich sehr selten, wissen Sie. Und dann
     habe ich vergessen, das Messer wieder in meine normale Jacke zu stecken.«
    Sälzer betrachtete das Messer, das Frau Panier ihm noch immer entgegenhielt. Die Klinge war sauber und glänzte, als hätte
     sie jemand poliert. Sollten darauf überhaupt Fingerabdrücke sein, dann sicher nur die von Annedore Panier. »Vielen Dank, FrauPanier. Nett, dass Sie sich die Mühe gemacht haben und extra hergekommen sind.«
    »Das hat Ihr junger Kollege doch so gesagt.« Frau Panier sah Leif Sälzer verwirrt an. »Wollen Sie das Messer denn gar nicht
     untersuchen?«
    »Doch,

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