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Träum ich?: Roman (German Edition)

Träum ich?: Roman (German Edition)

Titel: Träum ich?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern
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den Stellen, wo Emmalina ihn gefaltet hat, so brüchig, dass ich ihn ganz vorsichtig anfasse.
    Astrid, meine Schwester.
    Vielleicht denkst du, du würdest mit allem durchkommen. Vielleicht denkst du, all deine Träume würden jetzt wahr werden.
    Aber du irrst dich.
    Ich habe dich verflucht, Astrid.
    So wisse denn: Solltest du jemals einen Mann aus Liebe heiraten, so werdet ihr unvorstellbare Qualen erleiden. Schlimmer noch: Du wirst nie einen anderen Mann halten können als einen, den du verachtest – also keinen, der wie mein wunderbarer Hermann ist. Für dich gibt es nur eine einzige Möglichkeit, meinem schrecklichen Fluch zu entgehen: Heirate einen dummen, unzuverlässigen Mann, der dir ein elendes Leben bereitet. Solltest du jedoch deinem Herzen folgen, werdet ihr beide in der Hölle landen.
    Außerdem habe ich deine gesamte Nachkommenschaft verflucht. Solltest du eine Tochter bekommen, und sollte sie dumm genug sein, aus Liebe zu heiraten, werden sie und ihr Mann dasselbe Schicksal erleiden. Das Gleiche gilt für die nächste und übernächste Generation.
    Astrid, hast du wirklich gedacht, du könntest mir einfach so den Mann wegnehmen?
    Dann hast du falsch gedacht.
    Ich werde mein Leben weiterleben und mich irgendwann wieder verlieben. Aber du bist zu einem Leben in Schmerz und Einsamkeit bestimmt … so wie die Generationen, die dir folgen. Aber es ist nicht alles verloren, Astrid. Schließlich hattest du eine schwere Geburt und verdienst auch etwas Glück. Wenn du beschließt, wieder zu heiraten, dann heirate. Achte nur darauf, dass du den Mann nicht liebst. Ist es das, was du dir gewünscht hast? Jedenfalls ist es das, was du bekommen wirst.
    Deine Schwester Emmalina
    »Ach, jetzt kommt schon!«, rufe ich. »Das ist doch verrückt! Emmalina ist verrückt geworden.«
    »Ja, allerdings«, jammert Selma.
    »Astrid meinte das auch«, fährt Dolly fort. »Zeugen haben berichtet, dass sie über diesen verrückten Brief lachte. Ganze fünf Minuten lachte sie so, dass sie kaum noch Luft bekam.«
    »Und dann geschah es«, verkündet Selma.
    »Plötzlich hörte sie im Speisesaal Geschrei. Dann schwang die Tür auf und eine Frau erschien«, erklärt Dolly.
    »›Einen Arzt!‹«, ruft Selma, als wäre sie diese Frau. »›Wir brauchen einen Arzt! Hier erstickt ein Mann an einem Keks!‹«
    »War es ein Keks von Astrid?«, frage ich.
    »Was?«, fragt Dolly zurück.
    »War es einer von den Keksen, die Astrid gemacht hat?«, hake ich nach.
    »Astrid hat keine Kekse gemacht. Sie hat sie Emmalina gestohlen.«
    »Ich meine, war es Emmalinas Schokoladenkeks? Ist er daran erstickt?«
    »Oh nein, es war nur ein Keks vom Schiff«, sagt Selma lachend. »Aber es war ein Keks. Das fällt mir erst jetzt auf: welche Ironie des Schicksals.«
    »In der Tat«, bestätigt Dolly, »die Parallele ist mir vorher auch noch nie aufgefallen.« Sie greift sich an die Brust.
    »Und was ist dann passiert?«, frage ich.
    »Astrid sprang auf und rannte zur Tür.« Dolly schickte sich an, die Szene nachzustellen. Selma übernahm Hermanns Part und griff sich an die Kehle, als bekäme sie keine Luft mehr.
    »Dort sah sie Hermann mit hochrotem Gesicht. Er hielt seine Kehle umklammert und blickte ihr direkt in die Augen, während sein Gesicht langsam einen bläulichen Ton annahm.« Selma hustet und simuliert das Heimlich-Manöver, mit dem der Keks aus der Luftröhre katapultiert werden soll.
    »Eine Sekunde später sank Hermann zu Boden«, erklärt Dolly, und Selma lässt sich fallen.
    »Astrid eilte zu ihm«, sagt Selma, steht wieder auf und nimmt meine Hand.
    »Aber er war schon tot«, ergänzt Dolly und nimmt meine andere Hand.
    »Als der Dampfer Ellis Island erreichte, musste Astrid ihren toten Mann zu Grabe tragen. Da sie kein Geld hatte, um nach Österreich zurückzufahren, blieb ihr nichts anderes übrig, als in New York zu bleiben«, erklärt Selma.
    »In ihrer Hochzeitsnacht aber«, fährt sie fort, »war ein Kind gezeugt worden.«
    »Natürlich ein Mädchen«, erklärt Dolly. »Deine Urgroßmutter Hilde Burnswurst.«
    »Die ihrerseits eine Tochter bekam …«, fährt Selma fort.
    »Und ihr Mann? Eine Schande …«, sagt Dolly und lehnt sich zurück.
    »Und so weiter und so weiter und so fort«, sagt Selma und lehnt sich ebenfalls zurück.
    »Jetzt weißt du es«, verkündet Dolly.
    »Jetzt weiß sie es«, wiederholt Selma und seufzt tief.
    Einen Augenblick sitzen wir schweigend da.
    »Ist noch Kuchen da?«, fragt Dolly schließlich, an Selma

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