Träum ich?: Roman (German Edition)
erwidert Dolly in flehendem Tonfall. »Du willst Beweise?«
»Ja, ich will Beweise«, verlange ich.
»Wie viele Beweise denn noch?«, fleht nun auch Selma.
»Herrgott noch mal, vier Generationen von Frauen haben mitansehen müssen, wie die von ihnen geliebten Männer die unwahrscheinlichsten Schicksalsschläge erlitten«, ruft Dolly aus.
»Was meinst du, was unsere Ehemänner sagen würden, wenn du sie fragten würdest, ob ein Fluch an all dem schuld sei?«, verkündet Selma.
»Bis auf den, dessen Zunge an einem Wintertag am Pfahl festfror.«
»Wer war das noch?«, fragt Selma und versucht, sich zu er innern.
»Mein dritter Dad«, antworte ich betrübt. »Wir wollten mit der Zunge Schneeflocken fangen. Ich dachte, es würde seinen Schluckauf vertreiben. Er achtete nicht darauf, wohin er ging.«
»Glaubst du uns jetzt?«, fragt Dolly. »Verstehst du jetzt, warum wir keinerlei Romantik in deinem Leben zugelassen haben? Warum du nie Chocolate Chip Cookies essen durftest?«
»Bitte, Lily, heirate nicht. Gogo zuliebe und auch dir zuliebe. Bitte, wir wollen nicht noch eine Burns-Frau leiden sehen – oder einen weiteren Mann, der eine Burns-Frau liebt. Wir wollen dich nicht leiden sehen. Wir ertragen es einfach nicht.«
»Ich glaub’s aber immer noch nicht«, sage ich und stehe auf.
»Sie ist genau wie du damals«, sagt Dolly zu Selma gewandt. »Ich hab dir doch gesagt, es nützt nichts, wenn wir es ihr erzählen. Sie ist genauso stur wie du.«
»Lily«, versucht Selma es noch einmal. »Du bist doch ein schlaues Mädchen. Sieh dir doch mal die Beweise an.«
»Tut mir leid, aber ich kann nichts von alledem ernst nehmen. Wir befinden uns im 21 . Jahrhundert. Das war alles reiner Zufall!«
»Zufall?«, ruft Dolly aus. »Paraden, die Männer verschlucken, ein Mann, der unbeschadet die Niagarafälle hinunterstürzt, der Bandenkrieg – Lily, das waren doch keine Zufälle! Wenn es nur einmal ein einzelner Unfall gewesen wäre, gut, dann hätte es Zufall sein können, vielleicht auch, wenn ein, zwei Männer mit einer anderen durchgebrannt wären. Ein Herzanfall wäre auch noch möglich gewesen, aber Lily, denk nach, sei vernünftig. Ich frage dich: Liebst du Gogo?«
»Natürlich liebe ich ihn.«
»Und liebt Gogo dich?«
»Wie verrückt.«
»Dann könnt ihr nicht heiraten.«
»Aber es ist doch keiner gestorben.« Jetzt versuche ich es mit Argumenten.
»Das nicht, aber es war noch schlimmer: Sie mussten mit Konsequenzen leben, die so schrecklich waren, dass wir einfach nicht in ihrer Nähe bleiben durften. Der Tod hätte zumindest ein Ende bedeutet, aber bei diesem Fluch weiß man nie, was als Nächstes passiert. Denk doch an den armen Gogo!«, sagt Dolly kopfschüttelnd.
»Ma, sieh dir noch mal den umwerfenden Ring an, den er ihr geschenkt hat«, bemerkt Selma plötzlich und hält Dolly meine Hand vors Gesicht.
»So einen schönen Ring hab ich noch nie gesehen«, jammert Dolly.
»Ihr selbst habt gesagt, er sei zu vollkommen. Gogo müsse also etwas zu verbergen haben«, wende ich ein.
»Das war nur, um dich von deinen Heiratsplänen abzubrin gen«, erklärt Dolly seufzend. »Man sieht schon an diesem Ring, dass Gogo ein sehr einfühlsamer Mann ist.«
»Und mit dir nach Paris zu fahren und dir auf dem Eiffelturm einen Antrag zu machen«, sagt Selma wehmütig. »Davon kann man doch nur träumen.«
»Romantik pur«, nickt Dolly, und ihre Augen beginnen verdächtig zu schimmern.
»Sag, Lily«, bittet Selma und nimmt meine Hand, »war es so romantisch, wie ich es mir vorstelle?«
»Was soll das?«, frage ich abwehrend. »Plötzlich werdet ihr beide rührselig? All die Jahre seid ihr eiserne Jungfrauen, und auf einmal, kaum dass ihr mir dieses Schauermärchen erzählt habt, öffnen sich bei euch alle Schleusen?«
»Kannst du dir vorstellen, wie das all die Jahre für uns gewesen ist?«, klagt Selma. »Du hast doch merken müssen, dass wir insgeheim Romantikerinnen sind!«
Ich denke darüber nach. »Tja, mir ist aufgefallen, dass ihr bei So wie wir waren immer ausschalten wolltet, wenn Katie und Hubbell nach Los Angeles zogen.«
»Fang bloß nicht damit an«, ruft Selma, und ihre Augen füllen sich mit Tränen.
»Warum mussten sie sich trennen, warum bloß?«, jammert Dolly kopfschüttelnd. »Warum musste er ausgerechnet mit dieser Carol-Ann zusammenkommen?«
Dolly tritt zum Fenster im hinteren Teil des Zimmers und blickt hinaus, um sich zu sammeln.
»Wenn ich daran denke, wie unser Leben hätte aussehen
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