Träum ich?: Roman (German Edition)
mir doch egal, wenn ich euch für den Rest meines Lebens nicht mehr sehe. Ich bin durch, und zwar mit euch beiden! Das war’s. Mir reicht’s.« Schluchzend lasse ich mich aufs Sofa fallen.
»Vielleicht sind wir etwas zu weit gegangen«, flüstert Selma Dolly zu.
»Es war nur zu ihrem Besten«, flüstert Dolly zurück.
»Ma, ich denke, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen.« Selma hebt resigniert die Hände. »Wir müssen es ihr sagen.«
»Sagen? Was?«, frage ich.
»Achte nicht auf deine Mutter. Sie erzählt dummes Zeug«, wiegelt Dolly ab. »Selma, halt den Mund.«
»Was denn?«, frage ich. »Ich wusste es. All die Jahre habt ihr mir in Sachen Liebe nur das Schlechteste gewünscht, und nun, da ich endlich den Mann meiner Träume gefunden habe … den Mann, von dem jede Frau träumt, da tut ihr so, als wäre jemand gestorben! Also, was ist? Was habt ihr mir verschwiegen, was ist euer großes Geheimnis?«
»Sag’s ihr nicht!«, schreit Dolly.
»Sie ist neunundzwanzig Jahre alt!«, kontert Selma. »Lass es uns sagen, dann kann sie selbst entscheiden. Sonst verlieren wir sie.«
»Schön«, gibt Dolly nach. »Wenn du unbedingt willst, sagen wir es ihr. Wahrscheinlich ist sie wirklich alt genug.«
»Lily, mach es dir bequem«, sagt meine Mutter und klopft auf den Platz neben ihr. »Ma, schenk ihr einen Drink ein. Sie könnte ihn brauchen, wenn wir ihr alles gebeichtet haben.«
Dolly zögert. »Tun wir auch wirklich das Richtige?«, fragt sie.
»Ja. Es ist Zeit, dass Lily es erfährt.«
Dolly geht hinüber zum Wohnzimmerschrank und holt eine Flasche.
»Geht Pfefferminzschnaps?«, fragt sie. »Ich hab auch eine Flasche Champagner, nur für den Fall, dass es mal was zum Feiern gibt … aber das passt jetzt wohl nicht.«
»Lass doch den Schnaps!«, flehe ich sie an. »Warum spuckt ihr es nicht einfach aus?«
»Wir dachten, wir könnten es vor dir geheim halten«, seufzt Selma.
»Wir dachten, wenn wir jeden anständigen Mann von dir fernhielten, würdest du glauben, dass alle Männer Schweine sind.«
»Aber das ist doch Irrsinn!«, platzt es aus mir heraus. »Männer sind keine Schweine.«
»Nein, natürlich, nicht alle. Das wissen selbst wir«, erwidert Selma wegwerfend. »Aber es gibt einen Grund für unser Verhalten. Es gibt einen sehr guten Grund, warum wir dich nicht glücklich verheiratet sehen wollten.«
»Das möchte ich euch auch raten«, sage ich und verschränke meine Arme vor der Brust.
»Bist du bereit, Ma?«, fragt Selma. »Möchtest du es ihr sagen oder soll ich?«
»Lass mich.« Dolly legt ihre Hand auf Selmas Schulter und setzt sich dann neben mich, sodass ich zwischen ihnen beiden eingekeilt bin. »Es ist nur recht und billig, dass ich als Älteste der Burns-Frauen die Geschichte erzähle. Genau wie meine Großmutter sie mir erzählt hat.«
Dolly holt tief Luft.
»So schlimm kann es doch nicht sein«, sage ich, allmählich beunruhigt.
Dolly und Selma blicken sich an und verziehen das Gesicht.
»Lily«, setzt Dolly an. »Wie du vielleicht weißt, hatten deine Mutter und ich nicht viel Glück in der Liebe.«
»Nach Selmas vierter Ehe ist mir der Gedanke auch schon gekommen«, sage ich lachend.
»Deine Mutter brauchte eine Weile, um es zu begreifen, und da du schon immer viel klüger warst als wir, hörst du am besten die ganze Geschichte, um zu begreifen, wieso die Ehen deiner Mutter so verlaufen sind. Vielleicht verstehst du dann auch, warum ich nur ein einziges Mal geheiratet und dann nie wieder einen Mann angesehen habe.« Dolly seufzt.
Selma bedeutet ihr fortzufahren.
»Also? Ich warte«, sage ich gereizt.
Und da erzählen sie mir die Geschichte.
Der Fluch der Burns-Frauen
Eine Tragödie
Erzählt von Dolly und Selma Burns
»Wir schreiben das Jahr 1907 «, beginnt Dolly. »Oder war es 1909 ?«
»Ist doch egal«, wirft Selma ein.
»Dies ist die Geschichte unserer Familie«, erwidert Dolly. »Da möchte ich nicht schon falsch anfangen, sonst wird sie in Zukunft immer falsch überliefert.«
»Es war 1907 . Da bin ich mir sicher.«
»Wirklich?«
»Sie ist sich sicher«, sage ich, bereits entnervt.
»Gut, also … Zeit: 1907 , Ort: Lockwunden, ein kleines Dorf in Österreich. Wusstest du, dass dort deine Wurzeln sind?«
Das wusste ich offen gestanden nicht. Ich finde es interessant, behalte das aber für mich.
»Aber ja«, sage ich nickend.
»Nun«, fährt Dolly fort. »Die Geschichte beginnt damit, dass deine Ururgroßtante Emmalina ein Auge auf den Bäcker Hermann
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