Träum weiter, Liebling
gibt, die mir leid tun, und dass ich Ihnen was schuldig bin. Vielleicht kann ich ja jemanden für Sie anrufen, der Ihnen helfen kann. Sie müssen‘s mir bloß sagen.«
»Es gibt niemand.«
»Wenn ich das Geld hätte...« Er steckte die Zigarettenschachtel wieder ein.
»Ist schon gut. Ich erwarte nicht, dass Sie Kaution für mich stellen.«
»Ich würd‘s tun, aber...«
»Danke. Ich bin wirklich froh, dass es Emily bessergeht.«
Er nickte steif.
Sie hatte das Gefühl, dass er noch mehr sagen wollte, denn er wirkte unschlüssig, doch dann ging er zur Tür. Kaum dass er dort war, drehte er sich wieder zu ihr um. »Ich muss Ihnen was sagen.« Er trat erneut vor ihre Zelle. »Ich hab ein paar Sachen gemacht, auf die ich gar nicht stolz bin.«
Sie hörte zu, wie er ihr von dem brennenden Kreuz erzählte, von den zerschlitzten Reifen und dem Graffiti an Annies Häuschen, von der gestohlenen Brieftasche. Und dass er für all das verantwortlich war. »Ich hab Dwayne immer gemocht, und ich mochte meinen Job beim Tempel. Es war der beste Job, den ich je hatte, und seitdem ist irgendwie alles schiefgelaufen für mich.« Wieder griff er nach seinen Zigaretten. »Ich hab ‘n paar Wochen für Bonner gearbeitet, aber er hat mich wieder rausgeschmissen. Dann sind Sie aufgetaucht, und als er Sie auch noch anstellte, ist ‘ne Menge bei mir zusammengekommen, und ich hab angefangen, Sie zu hassen. Vielleicht hab ich auch gedacht, ich schulde Dwayne irgendwie noch was. Nun, wie auch immer, was ich getan hab, war nicht richtig.« Er zündete sich schließlich eine Zigarette an und zog den Rauch tief in die Lungen.
»Haben Sie das Autokino zerschlagen?«
»Nein.« Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein. Ich weiß nicht, wer das war.«
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
Er zuckte die Schultern. »Lisa und Fran halten nicht mehr allzu viel von mir. Aber ich hab mein kleines Mädchen immer noch sehr lieb, und ich weiß, dass ich Ihnen was schuldig bin.«
Sie versuchte, das alles zu verdauen. Wenn er seine Beichte zu einer anderen Zeit abgelegt hätte, dann wäre sie wahrscheinlich erzürnt gewesen, doch im Moment hatte sie keine Kraft für Russ Scudder übrig.
»Also gut. Jetzt haben Sie‘s mir gesagt.«
Er schien kein Wort der Vergebung zu erwarten, und sie sagte auch keines.
Später, als sie zusammengekauert auf der schmalen Metallpritsche saß, konnte sie ihre Verzweiflung nicht länger zurückhalten. Gabe musste ihr einfach glauben - trotz ihres schlechten Rufs, trotz aller Beweise.
Er musste einfach.
Die Digitaluhr auf dem Nachtkästchen zeigte 4:28 Uhr an. Cal warf einen Blick auf das Kissen neben ihm, wo Jane an ihn gekuschelt lag, und da wusste er, dass ihn sein schlechtes Gewissen geweckt hatte und auch seine Sorge um Gabe. Wo war er?
Gleich nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatten, war Cal zu Annies Häuschen raufgefahren, ja, er hatte sogar im Haus seiner Eltern im Ort nachgesehen, doch es gab keine Spur von seinem Bruder.
Cal hatte Jane immer noch nicht erzählt, dass er derjenige war, der Rachel ins Gefängnis hatte sperren lassen. Er hatte tausend Entschuldigungen gefunden, das Ganze hinauszuzögern, hauptsächlich weil er es hasste, sie unglücklich zu sehen. Dann hatten sie sich geliebt, und danach waren sie beide eingeschlafen. Dennoch, ihr diese Information vorzuenthalten, war nicht richtig, und er beschloss, es ihr gleich zu sagen, wenn sie aufwachte. Keine Ausflüchte mehr. Kein Hinauszögern. Sie musste ihn einfach verstehen.
Es würde nicht leicht werden. Jane hatte selbst keine Familie und konnte daher nicht ganz verstehen, wie tief die Bindung zu seinen Brüdern war. Und sie kannte Gabe noch nicht lange genug, um zu wissen, wie leicht er rumzukriegen war. Aber Cal wusste es. Und er würde seinen Bruder ebenso leidenschaftlich behüten wie jeden anderen, den er liebte.
Er dachte an Rachel allein in ihrer Gefängniszelle und fragte sich, ob sie wohl ebenfalls wach lag und sich um ihren kleinen Jungen sorgte. Warum hatte sie nicht vorher an ihn gedacht, bevor sie zu diesem Schlag gegen Gabe ausholte?
Er wollte gern glauben, dass sie impulsiv gehandelt hatte, ohne zu bedenken, was ihr grausamer Akt bei einem Mann anrichten würde, der endlich wieder zu leben angefangen hatte, aber das war auch keine Entschuldigung. Sie war einer von diesen ichbezogenen Menschen, die nur ihre eigenen Bedürfnisse und Frustrationen sahen und nichts anderes, und nun müsste sie die Konsequenzen
Weitere Kostenlose Bücher