Träum weiter, Liebling
wusste, dass sie noch einen hatte.«
Er hatte sie reingelegt, und das machte sie wütend. »Wenn du schon wusstest, dass ich ihn habe, warum hast du dann nichts gesagt? Und was hast du überhaupt hier zu suchen?«
Die Tatsache, dass sie zum Angriff überging, obwohl sie klar im Unrecht war, schien Ethan die Sprache zu rauben, aber Gabe zuckte bloß die Schultern. »Cal sagte, Ethan könnte den Esstisch für den Gemeindesaal haben. Wir wollten ihn gerade auf den Truck laden.«
Seine Augen glitten über ihr feuchtes Kleid, die erdbespritzten Waden und ihre nackten Füße. Sie sagte sich, dass die Kälte an der Gänsehaut schuld war, die sie plötzlich überall bekam. Sie betrachtete ihn mit einem anklagenden Blick. »Du sagtest, du hättest was Geschäftliches zu erledigen. Das ist nichts Geschäftliches, das ist ein Möbeltransport!«
Gabe sagte nichts, doch Ethan hatte sich mittlerweile wieder gefangen. »Ich glaub das einfach nicht. Du stehst da und lässt dich von ihr beschimpfen? Sie ist diejenige, die ins Haus eingebrochen ist!«
»Manchmal ist es leichter, Rachel erst mal Dampf ablassen zu lassen, bevor man versucht, ein vernünftiges Wort mit ihr zu reden«, sagte er mit seiner leisen, tonlosen Stimme.
»Was geht zwischen euch vor?« Ethans Gesicht wurde immer röter. »Warum hörst du überhaupt auf sie? Sie ist eine Lügnerin und Betrügerin.«
»Und das sind noch ihre guten Seiten.« Gabe wies auf ihre Füße. »Wohl deine sexy Schuhe verloren, was?«
»Ich wollte keinen Dreck reinschleppen.«
»Wie rücksichtsvoll.«
Ethan löste sich aus seiner Erstarrung und eilte in Richtung Telefon. »Das ist die Schachtel, in der Jane ihre Computerdisketten aufbewahrt. Ich werd die Polizei rufen. Rachels plötzliches Auftauchen ist mir von Anfang an spanisch vorgekommen.«
»Mach dir keine Mühe. Ich kümmere mich selbst um sie. Gib mir die Schatulle, Rachel.«
»Leck mich.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Nimm den Wagen, Eth. Ich hab die Plane über den Tisch gebreitet, damit er nicht nass wird.«
»Ich werde nicht gehen. Nach allem, was du durchgemacht hast, solltest du dich nicht auch noch damit auseinandersetzen müssen. Ich kümmere mich schon um sie.«
Wieder einmal sprang der kleine Bruder für den großen Bruder in die Bresche. Rachel gab ein verächtliches Schnauben von sich.
Ethan hörte es und fuhr empört herum. »Wie bitte?«
»Eine Tragödie macht aus einem Menschen noch lange kein hilfloses Baby«, sagte sie. »Hören Sie auf, ihn zu verhätscheln.«
Das schien sogar Gabe zu schockieren. Er hatte nie mit ihr über den Verlust seiner Frau und seines Sohnes gesprochen, obwohl er sich denken konnte, dass Kristy ihr mittlerweile davon erzählt hatte.
Ethan richtete die Stacheln auf wie ein Igel. »Welches Recht haben Sie, sich ein Urteil über das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir zu erlauben? Gabe, ich verstehe das einfach nicht. Ich dachte, sie würde nur für dich arbeiten, aber...«
»Nun geh schon, Eth.«
»Das kann ich auf keinen Fall tun.«
»Du musst. Vergiss nicht, dass du im Gemeinderat sitzt, und wenn du Augenzeuge wirst, wie ich jemanden umbringe, dann musst du das der Polizei melden.«
»Ich denke nicht, dass du mit ihr allein sein solltest«, erwiderte er trotzig.
»Ich werd nicht allein sein.« Gabe schenkte ihr ein dünnes Lächeln. »Rachels Schreie werden mir Gesellschaft leisten.«
10
Ethan ging nur widerwillig. Rachel war klar, dass sie ein paar Minuten brauchte, um sich die Schatulle genau ansehen zu können, um festzustellen, ob es ein Geheimfach gab.
Sie umfasste die Kanten der Schatulle noch fester und versuchte, etwas Zeit zu gewinnen. »Dein Bruder ist ein Miesepeter. Muss wohl in der Familie liegen.«
Gabe verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an eine der verzierten Säulen, die zum Wohnzimmer führten. »Es überrascht mich, dass du nicht dein Kleid aufgeknöpft hast und ihm das gewisse Angebot gemacht hast, damit er den Mund hält.«
»Alles ging so schnell. Ist mir in der Eile nicht eingefallen.«
Er zog eine Augenbraue hoch und trat gemächlich einen Schritt vor. »Los, her damit.«
Sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Herz zerspringen. »Auf gar keinen Fall. Sie gehört mir. Meine Großmutter hat sie mir zu meinem sechzehnten Geburtstag geschenkt.«
»Gib sie mir.«
»Einen ganzen Sommer lang hat sie Zucchinis in der prallen Sonne verkauft, um sie mir kaufen zu können, und ich musste ihr schwören, sie niemals
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