Träum weiter, Liebling
spritzte. »Als ob ich eines hätte.«
»Warum tun Sie nicht was dagegen?«
»Etwas tun?« Kristy nahm Rachel die beiden Teile ab und warf sie in den Abfalleimer unter der Spüle.
»Es ist offensichtlich, dass Ihnen sehr viel an ihm liegt.«
Kristy war ein so zugeknöpfter Mensch, dass Rachel eine Abfuhr erwartete, doch sie kam nicht.
»Das ist nicht so einfach. Ethan Bonner ist der bestaussehende Mann in Salvation, vielleicht sogar in ganz North Carolina, und er hat eine Schwäche für attraktive Frauen mit auffallendem Modeschmuck und in Stretchminis.«
»Dann kaufen Sie sich eben Modeschmuck und ziehen Sie einen Stretchmini an. Dann bemerkt er Sie wenigstens.«
Kristys zarte Augenbrauen schössen in die Höhe. »Ich?«
»Warum nicht?«
Kristy fing tatsächlich an, zu stottern und nach Worten zu ringen. »Ich? Ich! Sie erwarten, dass eine Frau wie ich - eine - eine Pfarrsekretärin... Ich - ich bin doch eine graue Maus.«
»Wer sagt das?«
»So was würde ich nie tun. Nie im Leben.«
»Na gut.«
Sie schüttelte entschlossen den Kopf. »Ich würde total lächerlich aussehen.«
Rachel lehnte sich gegen die Anrichte. »Sie sind doch keine Krähe, Kristy, und wenn Sie sich noch so langweiliganziehen.« Rachel blickte lächelnd an sich hinunter, über ihr Hauskleid aus den fünfziger Jahren. »Nicht, dass ich mir groß ein Urteil erlauben dürfte.«
»Sie halten mich also nicht für eine Krähe?«
Kristy blickte sie so hoffnungsvoll an, dass es Rachel im Herzen weh tat. Vielleicht hatte sie hier ja einen Weg gefunden, die Freundlichkeit dieser intelligenten, unsicheren Frau zurückzuzahlen. »Kommen Sie.« Sie führte sie ins Wohnzimmer und setzte sich mit ihr auf die Couch. »Nein, ich halte Sie ganz und gar nicht für eine Krähe. Sie haben schöne, ebenmäßige Gesichtszüge. Sie sind klein und zierlich, etwas, worauf Männer stehen, nicht dass ich was davon wüsste. Und Sie scheinen recht hübsche Brüste unter dieser klösterlichen Bluse versteckt zu haben, wieder etwas, wovon ich selbst nicht reden kann.«
»Sie glauben wirklich, ich hab Brüste?«
Rachel konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. »Ich glaub, das können Sie besser beurteilen als ich. Was ich glaube, Kristy ist, dass Sie schon vor langer Zeit entschieden haben, dass Sie unattraktiv sind, und Sie haben dieses Urteil seitdem nie mehr hinterfragt.«
Kristy sank in die Couch zurück. Ungläubigkeit, Hoffnung und Verwirrung breiteten sich nacheinander auf ihrem Gesicht aus. Rachel drängte sie nicht, und während sie wartete, ließ sie ihren Blick über den einfachen, rustikalen Raum schweifen und dachte, wie sehr sie dieses Haus doch liebte. Die laue Abendbrise, die durch die Fliegengittertür hereindrang, roch nach Kiefernnadeln, und auch ein Hauch von Geißblatt war dabei. Sie sah Edward draußen hinter einem Glühwürmchen herjagen und fragte sich, ob Gabe je hier gesessen und seinem Sohn beim Glühwürmchen jagen zugesehen hatte. Diese Vorstellung war so schmerzlich, dass sie sie rasch abschüttelte.
»Also, was soll ich tun?« fragte Kristy schließlich.
»Ich weiß nicht. Vielleicht Ihren Typ ändern?«
»Meinen Typ ändern?«
»Gehen Sie zu einem guten Friseur und lassen Sie sich die Haare und das Gesicht machen. Suchen Sie sich eine hübsche Boutique und kaufen Sie sich was Modisches zum Anziehen.«
Ein hoffnungsvoller Ausdruck lag einen Moment lang auf ihrem Gesicht, erlosch jedoch wieder. »Wozu denn. Ich könnte splitternackt in Ethans Büro marschieren, und er würde mich nicht bemerken.«
»Das können wir auch probieren.« Rachel lächelte. »Aber ich würd‘s erst mal mit der neuen Aufmachung versuchen.«
Kristy sah schockiert aus, dann lachte sie.
Rachel beschloss, dass sie ebenso gut reinen Tisch machen konnte. »Da ist noch etwas. Sie müssen aufhören, ihn zu bemuttern.«
»Was meinen Sie?«
»Wie kann er sich in Sie verlieben, wenn Sie ihn wie ein Kind behandeln?«
»Das tue ich nicht!«
»Sie haben ihm das Dressing auf den Salat getan!«
»Er vergisst das manchmal.«
»Dann lassen Sie‘s ihn vergessen. Sie behandeln ihn, als wäre er vollkommen unselbständig, Kristy. Er stirbt schon nicht, wenn er seinen Salat ohne Dressing isst.«
»Das ist nicht fair. Ich arbeite für ihn. Es ist meine Aufgabe, mich um ihn zu kümmern.«
»Wie viele Jahre machen Sie das schon?«
»Acht. Seitdem er die Pfarrei übernommen hat.«
»Und Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht, stimmt‘s? Wenn ich mich
Weitere Kostenlose Bücher