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Traeum weiter, Mann

Traeum weiter, Mann

Titel: Traeum weiter, Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nebe
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aufmunternd anstrahlt.
    »Meine Lieben, ich habe es euch ja schon am Telefon erzählt, dass wir bei uns im Hotel gerade hohen Besuch haben. Den Schriftsteller Heiner Deuters aus Hamburg.«
    Die Runde klatscht. Heiner lächelt. Im Himmel unter lauter Engeln könnte es auch nicht schöner sein.
    »Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Schicksal, aber gestern Abend hat Heiner mir eine Kurzgeschichte vorgelesen. Sie heißt Das kranke Herz und ist einfach entzückend. Heute Morgen habe ich ihm beim Frühstück erzählt, dass ich mich mit meinen besten Freundinnen zum monatlichen Bücherkreis treffe, und habe ihn gefragt, ob er die Geschichte nicht noch einmal hier vortragen möchte. Und voilà, da ist er und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken!«
    Wieder applaudieren die jungen Frauen. Alle schauen sie ihn mit großen, bewundernden Augen an.
    Ich bin angekommen, denkt Heiner. Genau das habe ich hier an der Ostsee gesucht. Das ist mein neues Leben.
    Er räuspert sich und holt den Umschlag mit den einzelnen Seiten heraus.
    »Es ist mir eine große Ehre, heute bei Ihnen zu sein. Ich  muss zugeben, dass Steffs Anfrage schon ein bisschen plötzlich kam. Aber wie könnte ich ihr eine Bitte ausschlagen.«
    Allgemeines Geschmunzel. Die Mädels sind Butter in meinen Händen, denkt Heiner. Ich bin ihr Hohepriester, und sie sind meine Jüngerinnen. Für einen kurzen Moment stellt er sich vor, wie es wäre, wenn jetzt alle nackt wären, schimpft aber sofort mit sich: pfui, Heiner! Wie kannst du ausgerechnet in einem so heiligen Moment der Andacht so schmutzige Gedanken haben?
    Er legt sich die Seiten feierlich auf die Knie, räuspert sich und nippt noch einmal an dem Earl-Grey-Tee, den Olga ihm auf ein kleines Tischchen gestellt hat. Die Stille im Wohnzimmer ist vollkommen, alle Blicke sind nur auf ihn gerichtet.
    »Ich denke, ich fange einfach mal an. Vorher viel sagen oder verraten möchte ich eigentlich nicht. Als Redner halte ich mich lieber zurück und hoffe stattdessen, dass alleine meine Texte ...«
    Er muss sich schon wieder räuspern, irgendwie hat er einen Frosch im Hals.
    »... für mich sprechen. Also bitteschön, Das kranke Herz.«
    Dann fängt er an zu lesen, zuerst noch etwas langsam und nervös, dann immer flüssiger und ruhiger. Und es ist wie ein Wunder: Schon nach wenigen Sätzen hat er die kleine Gruppe im Griff. Echte Liebe spricht aus den verklärten Blicken der jungen Frauen. Aber wenn er zwischen den Sätzen kurz hochblickt, hat er nur Augen für Steff, die wie eine Königin in ihrem Sessel thront und voller Genugtuung in die Runde sieht.
    Sie ist stolz. Stolz auf ihn, darüber, dass sie ihn hierher in dieses kleine Dorf gelotst hat. Heiner wird warm ums Herz, er ist gerührt über ihre Zuneigung und das Vertrauen, das sie seiner Arbeit entgegenbringt. Wenn er könnte, würde er ihr auf der Stelle einen Heiratsantrag machen.
    Ein schiefes Klingeln zerreißt die magische Stimmung im Wohnzimmer. Alle zucken erschrocken zusammen. Eine seiner Zuhörerinnen mit sehr dünnen, strengen Lippen schreit sogar kurz auf, so sehr war sie in der Atmosphäre seiner Geschichte gefangen.
    Olga steht auf. »Entschuldigung. Nicht weiter lesen, ich bin gleich wieder da.«
    Damit verlässt sie den Raum. Zeit für Heiner, kurz in die Runde zu blicken. Es ist schon fast peinlich, wie verfallen ihm die jungen Frauen mittlerweile sind.
    Verlegen wendet er den Blick und schaut kurz aus dem Fenster –
    Schönings Landrover! Heiner kann ihn ganz deutlich  durch die Büsche hindurch auf der Straße sehen! Was –?
    »Herr Deuters«, meldet sich Olga verlegen. »Da möchte Sie jemand unbedingt sprechen.«
    Allgemeine Überraschung, besonders bei Steff. Sie macht Anstalten, aufzustehen, aber Heiner drückt sie sanft zurück in den Sessel.
    »Schon gut, ich bin gleich wieder da.«
    »Ich glaube, er hat getrunken«, flüstert ihm Olga im Vorbeigehen zu.
    Verwirrt geht Heiner zur Tür. Tatsächlich steht dort Schöning. Leicht schwankend hält er sich am Türrahmen fest und mustert ihn mit düsterer, abweisender Miene.
    »Was soll das denn?«, schimpft Heiner. »Ich habe im Moment keine Zeit für ...«
    Weiter kommt er nicht.
    Schöning zieht Heiner mit festem Griff am Jackettärmel hinaus.

16
Das kranke Herz

    Vor der Tür schleift Gerald Deuters ein paar Schritte in den abgeernteten Gemüsegarten und lässt ihn erst hinter einem alten Holzschuppen wieder los. Hier riecht es nach Komposthaufen und Altöl.
    »Was willst

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