"Träume aus 1001 Nacht" 6
Dächer konnte man erahnen. Es schien ein reiches Land zu sein, überlegte Molly. Und wie in vielen Scheichtümern beruhte der Wohlstand auf dem Erdölverkauf. Aber in Manasia plane man auch weit voraus in die Zukunft, erklärte ihr Kaliq, man versuche, neue Märkte zu erschließen, wegweisende Industrien wie Computer- und Softwarefirmen aufzubauen.
Die Straßen der Hauptstadt waren voller Menschen, vor allem Männer, zum Teil in westlichen Anzügen, aber auch im klassischen Burnus. Es gab exklusive Boutiquen neben basarähnlichen Geschäften. Einige Frauen trugen sogar einen Schleier, fiel Molly auf.
„Ist das hier noch üblich?“, erkundigte sie sich besorgt. „Muss ich mich auch verschleiern?“
„Nein, nur einige ältere Frauen machen das noch, sie sind es so gewöhnt. Megan geht auch unverschleiert, wenn sie hier ist. Und sie ist immerhin die Frau des Thronfolgers.“
Als die Limousine schließlich durch die breiten Palasttore fuhr, erstreckte sich vor ihnen ein parkähnliches Gelände mit einem Hauptgebäude und mehreren Seitenflügeln und Einzelvillen.
„In der Villa dort drüben leben meine Eltern.“ Kaliq deutete auf ein mit einem prächtigen Blumengarten umgebenes Gebäude. Es war atemberaubend schön, und direkt dahinter erstreckte sich das Meer. Molly konnte es kaum glauben, in was für einem Luxus sie hier gelandet war.
„Hast du auch ein eigenes Haus?“
„Mir gehört eine Villa, aber sie ist an Verwandte vermietet. Ich bin in den vergangenen zwanzig Jahren nur selten hier gewesen. Zuerst bin ich in England in die Schule gegangen, dann habe ich in New York studiert und bin dann dort geblieben, um die Reederei aufzubauen. Ich wohne hier immer in einem Seitenflügel des Palasts, aber wir haben schon unsere Privatsphäre. Keine Angst.“
„Ich war nur neugierig. Hier ist es wirklich paradiesisch schön.“
„Komm, wir werden zuerst meinen Eltern unsere Aufwartung machen, dann kannst du dich ein wenig ausruhen.“
„Ich bin nicht müde“, wehrte Molly ab. „Ich bin so aufgeregt und möchte am liebsten sofort alles erkunden.“
Er lachte. „Wir haben noch viel Zeit“, beruhigte er sie.
„Meinst du, wir können auch ein paar Tage in die Wüste fahren?“, erkundigte sie sich vorsichtig, als sie die Eingangshalle seines Elternhauses betraten.
„Wenn du das möchtest und dir die Hitze nicht zu viel wird.“
Kaliqs Eltern begrüßten sie kühl und reserviert. Molly beobachtete, wie Kaliq sich zuerst vor seiner Mutter und seinem Vater verneigte, sie dann aber herzlich in die Arme nahm. Ihr gegenüber verhielt man sich würdevoll, aber Molly hatte doch das Gefühl, dass sie nicht unbedingt als Wunschfrau für Kaliq betrachtet wurde. Und so war sie schließlich ganz erleichtert, als Kaliq vorschlug, dass sie sich erst einmal ein wenig frisch machen würden.
Als sie die prachtvollen Gemächer betraten, war sie völlig verblüfft. Es war alles so riesig, verglichen mit New York. Es herrschte ein unvergleichlicher Luxus. Auch von ihren Wohnräumen war ein direkter Zugang zum Strand möglich, stellte Molly begeistert fest. „Ich habe einen Badeanzug dabei“, freute sie sich. „Ich glaube, ich gehe gleich heute Nachmittag schwimmen. Jetzt geht es ja noch.“
„Meinst du nicht, dass du dich lieber etwas ausruhen solltest?“, erkundigte er sich besorgt.
„Ich bin doch nicht krank“, beschwerte sie sich. „Es kommen noch lange Monate, in denen ich mich weniger gut werde bewegen können.“
„Ganz wie du meinst. Während du schwimmen gehst, werde ich einiges mit meinen Eltern besprechen. Und heute Abend speisen wir auf der Terrasse.“
„Mit deinen Eltern?“ Molly war nicht gerade gut im Small Talk. Über was sollte sie sich mit seinen Eltern unterhalten?
„Heute sind wir ganz für uns. In den kommenden Tagen ist noch genügend Zeit für dich, meine Eltern kennenzulernen.“
Sie nickte, aber sie war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob es richtig gewesen war mitzukommen.
Mit einem leisen Seufzer trat sie hinaus auf die Terrasse und stellte sich an die Balustrade. Das Meer sah sehr einladend aus und intensiv blau. Es war schön, dass sie einen Tag Zeit hatte, sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen, bevor der offizielle Teil ihres Besuchs begann.
Zwei Tage später war Molly nicht mehr nach Lachen zumute. Nichts war so gelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Kaliq war stark in geschäftliche Dinge eingespannt. Jeden Tag beriet er sich mehrere Stunden mit seinem Vater,
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