"Träume aus 1001 Nacht" 6
Gefängnis gesteckt. Und das in dem Land, in dem ihr Vater einen seiner größten Verträge unter Dach und Fach bringen wollte. Vor allem kam es darauf an, die Machthaber davon zu überzeugen, dass er der perfekte Partner war, um die Ölvorhaben des kleinen Landes auszuschöpfen.
Sie sprang von der schmalen Pritsche auf, begann, unruhig in der Zelle hin und her zu laufen, und stellte sich immer wieder vor, wie ihre Eltern wohl reagieren würden. Wie sollte sie sich nur aus dieser Zwickmühle befreien, ohne dass die Weltpresse davon erfuhr? Und schlimmer noch, ihre Mutter würde ihr bis ans Lebensende vorwurfsvolle Blicke zuwerfen. So oft schon hatte sie ihren Mann gefragt: „Was haben wir mit unserer Tochter falsch nur gemacht?“
Sara blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn und lehnte sich gegen die dicken Mauern des Gefängnisses. Ihre Eltern hatten alles richtig gemacht, sie hatte selbst Schuld. Was auch immer sie tat, alles, was sie anpackte, schien schiefzugehen. Zunächst mal hatte sie nicht Karriere gemacht. Ganz im Gegensatz zu ihrer Schwester, die Rechtsanwältin geworden war. Oder ihrem Bruder, der als Atomingenieur arbeitete. Zumindest hätte sie, wie ihre Mutter, die perfekte Stütze ihres Ehemannes werden können.
Sara aber hatte sich in den Kopf gesetzt, ihr eigenes Leben zu leben. Sie hatte sich als Schauspielerin versucht, doch war sie zur Erleichterung ihrer Eltern gescheitert. Auch die Ausbildung zur Krankenschwester hatte sie abgebrochen, da sie den Anblick von Blut nicht ertrug. Dann hatte sie als Kindermädchen gearbeitet. Es hatte ihr sehr gut gefallen, mit den Kleinen umzugehen, doch war sie in den Augen der Eltern nicht diszipliniert genug. Deshalb hatte sie den Job wieder verloren.
Seit einiger Zeit versuchte sie sich als Fotografin. Wenn es ihr gelang, in diesem Beruf Erfolg zu haben, würde ihr das wohl sogar den Respekt ihres Vaters einbringen, der bislang davon ausging, dass sie es niemals zu etwas bringen würde.
Der Herausgeber einer großen Tageszeitung war höchst gespannt gewesen, als sie ihm erzählt hatte, dass sie eine Reise nach Kamtansin machen werde. Dabei handelte es sich um ein kleines arabisches Land, das jedoch über ungeahnte Ölreserven verfügte. Da ihr Vater dabei war, mit den Scheichs des Landes eine Konzession auszuhandeln, sollte es Sara leicht gelingen, einige Interviews mit den Machthabern zu führen und sie zu fotografieren. So zumindest hatte sie sich das in Los Angeles vorgestellt.
Die Wirklichkeit aber sah ganz anders aus. Es wurde ihr verboten, Aufnahmen zu machen und sich den Scheichs zu nähern. Das Schlimmste aber sollte noch kommen. Obwohl man sie davor gewarnt hatte, hatte Sara versucht, einige Fotos von einer Sommerresidenz der Herrscherfamilie zu machen. Dabei war sie überrascht worden.
Sie war in ein Gefängnis geworfen worden, wo es nicht einmal eine Dusche für sie gab, da man sie der Spionage bezichtigte! Es war ihr nicht erlaubt worden, die Botschaft der Vereinigten Staaten oder zumindest ihre Mutter anzurufen. Und sie hatte auch noch keinen Rechtsanwalt gesehen. Das Einzige, was ihr blieb, war, sich selbst und diese scheußliche Lage zu verfluchen.
Ihre Eltern würden außer sich sein. Als sie in diesem Land angekommen waren, hatten sie eine Nacht gemeinsam im Hotel verbracht. Am nächsten Tag hatte sie sich aufgemacht, um etwas zu finden, was sie filmen oder fotografieren konnte. Obwohl es ihr nicht gelungen war, sich der Residenz zu nähern, war mit den Teleobjektiven jedes Detail zu erspähen. Doch sie hatte nicht einmal zwei Fotos geschossen, als man sie schon aufgegriffen hatte.
Die Sorgen ihrer Eltern aber waren nichts im Vergleich zu ihren eigenen. Die Gesetze dieses Landes waren ihr vollkommen unbekannt. Würde sie dieses Gefängnis jemals wieder verlassen dürfen oder bis an das Ende ihrer Tage in dieser staubigen Zelle ausharren, ohne dass ihre Eltern jemals erfuhren, was mit ihr geschehen war?
Die Tür ging auf. Sie war aus Holz und hatte ein kleines Guckloch in der Mitte. Zweimal am Tag schob man ihr etwas zu essen in die Zelle. Und die Gefängniswärter überwachten sie in unregelmäßigen Abständen. Dabei bestand nicht die geringste Fluchtmöglichkeit. Es gab nur ein kleines Fenster hoch oben in der Wand, das dazu noch vergittert war.
Der Mann in dem arabischen Gewand, der an der offenen Tür stand, machte ihr ein kurzes Kopfzeichen, da er kein Wort Englisch sprach und Sara des Arabischen nicht mächtig war. Sie
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