"Träume aus 1001 Nacht" 6
wirkte er arrogant. Der Wächter hatte sich sehr untertänig verhalten. Offenbar hatte der Unbekannte etwas zu sagen in diesem Land.
„Wenn ich erst einmal telefonieren dürfte und …“
Er schüttelte den Kopf. „Zunächst möchte ich wissen, wer Sie sind und warum Sie die Sommerresidenz fotografieren wollten.“
„Ich bin Sara K… Sara Kay“, antwortete sie. „Und ich arbeite für eine Zeitung. Da wollte ich einige Fotos machen, damit unsere Leser in Amerika erfahren, wie die Residenz eines Scheichs aussieht. Die Familie hat sich ja seit dem Tod eines Oberhauptes vor sechs Monaten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, da war ich neugierig, das ist alles.“
„Warum haben Sie dann nicht um eine Erlaubnis nachgesucht, wie das alle Journalisten tun?“
„Das habe ich ja versucht, aber ich habe keine bekommen.“
„Meinen Sie nicht, dass es dafür einen Grund geben könnte?“
„Ich wüsste nicht, welchen.“
„Den Schutz der Privatsphäre zum Beispiel.“
„In Amerika muss sich eine Familie, die solche Macht ausübt wie diese Scheichs, der Öffentlichkeit stellen, ob ihr das nun gefällt oder nicht.“
„Sie sind hier nicht in Amerika.“
Sara nickte und schaute zum Telefon. Es gab nicht die geringste Chance, ihre Eltern zu verständigen, solange dieser Mann ihr nicht die Erlaubnis erteilte, sie anzurufen. Sie versuchte es noch einmal. „Wenn Sie mir endlich erlauben zu telefonieren, kann ich das alles klären. Oder lassen Sie mich einfach gehen. Man hat mir den Fotoapparat abgenommen, also kann ich nicht mehr fotografieren. Warum lassen Sie mich nicht frei?“
Er schloss die Akte, und Sara verlor allen Mut. Vielleicht würde man sie niemals mehr aus dem Gefängnis lassen. Es blieb ihr nur noch eine Wahl. Sie musste sich auf ihren Vater berufen und seinen Einfluss ins Spiel bringen. Es gab keine andere Möglichkeit mehr, auch wenn er sie aus dem Haus jagen würde!
„Was Sie gemacht haben, kann sehr weitreichende Folgen haben, dessen sind Sie sich vielleicht nicht bewusst“, sagte der Mann.
„Ein paar Aufnahmen, was ist denn schon dabei?“
„Sie sind Amerikanerin. Und mein Land steht in schwierigen geschäftlichen Verhandlungen mit einem Bürger Ihres Landes. Es geht dabei um eine Konzession für Ölbohrungen. Es gibt hier in Kamtansin eine Gruppierung, die nicht mit den USA zusammenarbeiten will. Die Minister achten darauf, dass die Interessen unseres Landes gewahrt bleiben. Einige davon gehören zu einer Gruppe, die unser Land modernisieren möchte. Das Geld aus den Ölbohrungen könnte es uns ermöglichen, den Lebensstandard unserer Einwohner zu erhöhen. Ihr Verhalten aber bringt möglicherweise die gesamten Verhandlungen zum Scheitern.“
„Ich werde niemandem etwas verraten.“
„Unmöglich. Zu viele Menschen wissen schon, dass Sie hier sind und was Sie getan haben. Die Anklage lautet auf Spionage. Das ist ein schweres Vergehen hier, und die Strafen sind hoch. Sie haben nach einer Erlaubnis gefragt, diese nicht erhalten und dennoch Aufnahmen gemacht. Wie würden Sie dieses Verhalten nennen?“
„Ich habe nicht spioniert!“
Als hätte Sara ihn nicht unterbrochen, fuhr er fort: „Die Gegner einer Modernisierung unseres Landes sehen das ganz sicher anders. Sie wollen ein Exempel statuieren. Und sie hoffen natürlich, dass ihr Verhalten die Verhandlungen beeinträchtigt, wenn nicht gar scheitern lässt.“
Das war ja einfach unglaublich! Sara hatte nichts Schlimmes anstellen wollen, doch sah es ganz so aus, als würde sie alle Aussichten ihres Vaters, einen großen Deal abzuschließen, zunichtemachen. Da konnte sie sich schon vorstellen, was für Vorwürfe ihre Mutter ihr machen würde!
„Auf der anderen Seite ist uns viel daran gelegen, die Amerikaner nicht zu brüskieren, wenn die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss gebracht werden sollen. Wenn Sie wirklich für eine Zeitung arbeiten, wird sich die internationale Presse sicherlich für Ihren Fall interessieren.“
Sie schaute ihn eindringlich an und konnte nur hoffen, dass er zu der Gruppe gehörte, die das Land mit Hilfe der Amerikaner modernisieren wollte. Wie war sie nur in diese schreckliche Lage geraten? Sie hatte doch nur einige Aufnahmen machen wollen und nicht im Traum daran gedacht, dass sie eine politische Krise heraufbeschwören würde. Und vor allem hatte sie nichts unternehmen wollen, was die Verhandlungen ihres Vater erschweren konnte.
Der Wächter klopfte an und betrat erneut das Büro. Die
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