Traeume aus der Ferne
anlassen?« Franziska war hinter mich getreten und begutachtete mich skeptisch.
»Doch, genau diese Schuhe werde ich tragen«, erwiderte ich selbstbewusst. »Die passen nämlich am besten zu meinen ausgetragenen Jeans. Wenn du ein Problem damit hast, kann ich gern alles wieder ausziehen und mich halbnackt auf den Balkon legen, um das schöne Wetter zu genießen.«
Ich blitzte Franziska mit kampfeslustigen Augen an. Sie schien zu spüren, dass ich einen Streit vom Zaun brechen wollte, um mich vor diesem Abend zu drücken.
»Kein Grund sich aufzuregen, Liebes. Man wird ja wohl mal fragen dürfen. Können wir dann gehen?« lenkte sie rasch ein.
Ich seufzte ein letztes Mal meinem Spiegelbild entgegen. Ein besonders toller Anblick war ich in der Tat nicht. Schlimm genug, dass ich mit meinem Aussehen schon immer unzufrieden gewesen war, doch neben Franziska verblasste auch noch mein letztes bisschen Selbstwertgefühl. Sie schwebte die Treppe hinunter, als wäre sie auf dem Weg zum Altar. Frau Franziska Schweder und ihre Begleitung würden wie immer großes Aufsehen erregen. Wobei ich, als ihre Begleitung nach spätestens zehn Minuten uninteressant wurde und den Abend allein verbringen musste.
Wie erwartet war unser Auftritt einer der Höhepunkte des Gartenfestes . Franziska hatte sich in ihrem Beruf längst einen Namen erarbeitet, und sie war weiterhin unaufhaltsam auf dem Weg nach oben. Das wussten natürlich alle in der Branche, deshalb war jeder darauf versessen, sich möglichst lange in ihrer Nähe sehen zu lassen. Sehen und gesehen werden – das Motto dieser Partys; egal, ob es sich nun um eine Cocktailparty, ein Gartenfest oder ein Geschäftsessen handelte. Die Spielregeln waren immer die gleichen. Man musste sich nur mit den richtigen Leuten sehen lassen, um Eindruck zu schinden.
Nachdem ich eine angemessene Zeit lang bei Franziska gestanden hatte, wagte ich es, mich unauffällig zurückzuziehen. Ich hätte wohl auch mit einem Megaphon ankündigen können, dass ich nun gehe, und keiner hätte es bemerkt. Ich ging natürlich nicht wirklich, sondern suchte mir, wie immer bei diesen Gelegenheiten, den Platz, der am weitesten vom Geschehen entfernt war. In diesem Fall handelte es sich um einen Gartenstuhl, der sich am anderen Ende des Gartens befand.
Unterwegs fischte ich mir ein Glas Sekt von einem der Tabletts, die von irgendwelchen Kellnerhänden durch den Garten jongliert wurden.
Nun begann der Teil des Abends, an dem ich anfing mich zu fragen, wieso es Franziska überhaupt so wichtig schien, mich dabei zu haben. Sie würde eine Runde nach der anderen drehen. Hier ein Gläschen Sekt, da ein wenig Small talk, und ich war für den Rest des Abends vergessen. Erst wenn sie nach Hause wollte, erinnerte sie sich wieder an mich. Wenn sie einen erfolgreichen Abend hatte, und das war so gut wie immer der Fall, dann war sie nachts besonders liebesbedürftig. Wobei – hatte das etwas mit Liebe zu tun? Franziska liebte das Gefühl, begehrt zu werden. Wenn sie die berufliche Bestätigung erfahren hatte, brauchte sie diese anschließend auch noch im Bett. Da ich sie liebte, gab ich ihr, was sie wollte.
Liebe. Ich betrachtete Franziska, wie sie mit ein paar anderen Gästen am Buffet stand. Liebte ich diese Frau wirklich? Ich hatte sie geliebt, zweifelsohne. Doch im Laufe der Jahre hatte sich vieles verändert. Ich hatte mich verändert. Anfangs hatte ich mich geehrt gefühlt, im Schatten einer so erfolgreichen und attraktiven Frau leben zu dürfen. Inzwischen langweilte es mich nur noch. Bei Franziska stand der Beruf immer an erster Stelle. Wenn dann noch Zeit war, kam ich. So stellte ich mir eine harmonische Beziehung nicht vor, und trotzdem hatte ich das jahrelang mitgemacht. Und ich werde es auch noch jahrelang weitermachen, dachte ich, und wunderte mich über die Wehmut, die mich plötzlich überfiel.
»Ein Glas Sekt, und du wirst schon melancholisch«, schalt ich mich selbst.
»Glauben Sie mir, es wurden schon ganz andere Menschen mit weit weniger Alkohol melancholisch«, kam unerwartet eine Antwort.
Ich fuhr ruckartig herum, als ich die fremde Stimme neben mir hörte. Wie in aller Welt kam diese Frau hierher, ohne dass ich es bemerkt hatte?
»Entschuldigen Sie«, sprach sie weiter, nachdem ich sie immer noch anstarrte, ohne einen Ton zu sagen. »Sie wollten bestimmt etwas allein sein, und ich platze hier einfach so in Ihre Ruhe. Ich bin schon wieder weg.«
»Warten Sie«, antwortete ich schnell, denn sie
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