Traeume aus der Ferne
sie verliebt bist, Annette. Wenn du ehrlich zu dir bist, dann weißt du, dass ich recht habe. Und falls es dich interessiert, ich bin mir sicher, dass es Kim ebenso geht wie dir.«
Olivia hatte recht, ich wollte tatsächlich gerade sagen, dass ich nicht in Kim verliebt bin. Doch mit jeder Sekunde mehr, die ich darüber nachdachte, wurde mir klarer, dass es mehr als Sympathie oder Begehren war, was mich zu Kim hinzog. Ich hatte mich tatsächlich Hals über Kopf in sie verliebt.
»Du denkst, sie liebt mich auch?« Mir wurde erst im letzten Augenblick bewusst, dass ich soeben zugab, in Kim verliebt zu sein.
»Ja, da bin ich mir ganz sicher.«
»Aber warum ist sie dann nicht hier bei uns, sondern . . . lieber allein?« stellte ich Olivia verzweifelt die Frage, mit der ich mich selbst den ganzen Tag schon quälte.
»Finde es heraus! Und wenn du es herausgefunden hast, dann gestehe ihr deine Gefühle. Du musst auf mich keine Rücksicht nehmen, okay? Wir können ja trotzdem noch einen sehr schönen Urlaub zu dritt erleben.«
Dankbar und erleichtert fiel ich Olivia in die Arme. Es war Zeit zu handeln.
»Ich habe hinten neben dem Swimmingpool ein Spielzimmer entdeckt, da steht ein Billardtisch. Was haltet ihr davon?« Wir waren nach einem eher kurzen Ausflug gerade wieder in unserem Zimmer angekommen, als Olivia uns das fragte.
»Klar, ist mal was anderes«, stimmte Kim sofort zu.
»Ich passe«, antwortete ich. Mein vom Gespräch mit Olivia gewonnener Mut hatte mich längst wieder verlassen. Ich fühlte mich wohler damit, trotzig und verletzt zu sein. Schließlich war Kim diejenige, die mich nach unserem Kuss mied wie eine Aussätzige. Es gab keinen Grund für mich, auf sie zuzugehen.
»Hey, kneifen gilt nicht!« Kim schaute mich traurig an. »Komm schon«, fügte sie hinzu, als ich keine Anstalten machte mitzukommen.
Eigentlich wollte ich mich nur in meinem Bett verkriechen, wollte allein meinen trüben Gedanken nachhängen und von Kim träumen. Doch ich spürte, wie mein Widerstand langsam zu bröckeln begann. Offenbar erkannte Kim das auch, denn sie kam zu mir her, nahm mich bei der Hand und zog mich aus dem Zimmer. »Wir sind soweit«, rief sie Olivia zu, und ich gab mich endgültig geschlagen.
Nach unzähligen Runden am Billardtisch in allen möglichen Team-Varianten war Olivia die erste, die die Lust verlor. »Ich brauch’ jetzt eine Dusche, und dann leg’ ich mich mit einem guten Buch ins Bett. Viel Spaß noch!« Sie warf mir einen Blick zu, der mir wohl sagen sollte, dass es nun an der Zeit für ein klärendes Gespräch sei. Doch ich hatte nicht vor, auf Kim zuzugehen.
»Du fängst an«, wies Kim mich an, während Olivia sich auf den Rückweg machte.
»Ich habe ehrlich gesagt gar keine Lust mehr.«
»Ich auch nicht«, antwortete sie leise. »Ich wollte eigentlich nur ein bisschen Zeit schinden.«
»Zeit schinden?« fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, worauf sie anspielte.
Sie kam zu mir und nahm mich bei der Hand. Wir gingen zusammen zum Hintereingang des Motels hinaus, und Kim führte mich zu einer Bank, die zwischen zwei Bäumen versteckt abseits des Parkplatzes stand.
»Wir müssen reden«, brachte ich nach minutenlangem Schweigen hervor.
»Ja. Deshalb sind wir hier.«
»Warum . . .«
»Warte!« unterbrach Kim mich sofort wieder. »Ich möchte dir etwas erzählen, aber es ist einfacher für mich, wenn du mir keine Fragen stellst und mich nicht unterbrichst.«
Ich nickte und wartete gespannt auf Kims Ansprache.
»Meine Freundin ist vor fünf Jahren gestorben«, fing sie an, und ich verspürte sofort den Drang, Kim in den Arm zu nehmen. »Es ist nicht so, dass ich seitdem nicht mehr . . . also . . . ich hatte schon . . . ich war nicht die ganze Zeit allein, seitdem«, brachte sie offensichtlich verlegen hervor. »Aber es war nie was Ernstes dabei.« Sie schenkte mir ein warmes Lächeln, das mein Herz zum Schmelzen brachte. »Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Meine Freundin hat vor vielen, vielen Jahren einmal hier gelebt. Sie hat mir so viel von ihrer alten Heimat erzählt und wollte mir das alles irgendwann persönlich zeigen. Doch dann ist sie krank geworden und uns blieben nur die Träume von Amerika. Wir malten uns aus, was wir gemeinsam besichtigen würden, sie erzählte mir, wo wir eine nette Unterkunft oder einen guten Burger finden könnten.« Kim stockte etwas, ich merkte, wie schwer ihr das Reden inzwischen fiel. Unsicher legte ich ihr meine Hand auf den
Weitere Kostenlose Bücher