Traeume doch einfach weiter
aufgereihten Wühltischen mit sensationell
günstigen Büchern, die kein normaler Mensch haben wollte, dem »Sammlerlexikon
für zeitgenössische Münzen aus Kanada« zum Beispiel oder »Tiger: Die wahre Geschichte
eines Hundes, der eine Katze liebte«. Dan schloss die Augen und versuchte, das
aufgeregte Geschnatter der Schnäppchenjäger auszublenden. Er nahm einen tiefen
Zug Nikotin und dachte an Hermann Hesses »Siddhartha«. »Liebe rührte sich in
den Herzen der jungen Brahmanentöchter, wenn Siddhartha durch die Gassen der
Stadt ging, mit der leuchtenden Stirn, mit dem Königsauge, mit den schmalen
Hüften.« Er wäre gern selbst Siddhartha gewesen oder wenigstens ein bisschen
mehr so wie Siddhartha.
Er wünschte, er
hätte jemanden, mit dem er sich über solche Gedanken unterhalten könnte, vor
allem nachdem sein gestriger Versuch, sich mit Vanessa darüber auszutauschen,
so kläglich gescheitert war.
Eine leichte
Berührung an der Schulter weckte ihn aus seinen Träumen. Er schlug die Augen
auf.
»Dan?« Bree stand
vor ihm und sah aus wie eine durchtrainierte blonde Brahmanentöchter, in deren
Herz sich Liebe zu ihm rührte.
Wer sagt denn,
dass Träume nicht wahr werden können?
»Hey, hallo!« Er
sprang auf. Bree hatte ihre blonden Haare diesmal zu zwei straffen Zöpfen
gebunden und trug ein eng geschnittenes grünes T-Shirt und weiße Lycra- Shorts.
Ihre makellose Haut hatte einen gesunden rosigen Schimmer.
»Du rauchst?«,
fragte sie erschüttert.
»Wer... ich? Äh,
nein.« Dan ließ hastig die Zigarette fallen und trat sie aus. »Die hab ich nur
für Steve gehalten - einen Kollegen, weißt du? Er musste kurz mal nach drinnen.«
Gut gespielt,
Shakespeare.
»Bah!« Sie
prustete und fächelte sich Luft zu. »Rauchen ist furchtbar ungesund.«
»Oh ja, und wie«,
stimmte Dan ihr mit todernster Miene zu und wischte sich die Hände an seiner
verblichenen grünen Kordhose ab. »Rauchen ist ganz, ganz schlimm.«
»Ich bin froh,
dass ich dich hier getroffen hab!« Bree setzte sich mit einer anmutigen Bewegung
auf den Vorsprung und ließ die Beine baumeln wie ein kleines Mädchen, das
dringend pinkeln muss, aber nicht von der Schaukel springen will. »Ich wollte
dir nämlich sagen, wie toll ich >Siddhartha< fand.«
»Ja? Das freut
mich. Ich hab ihn gerade auch noch mal gelesen.«
»Echt? Das ist ja
ein Zufall!«
Genau. Zufall.
»Hesse
interessiert dich also, ja?« Dan schlug die Beine übereinander und hoffte,
damit intellektuell und lässig athletisch zugleich zu wirken. »Und was willst
du als Nächstes lesen?«
»Ein Buch, an dem
mein Yogi mitgearbeitet hat. Es geht darum, wie man durch Meditation und Gesang
bewirken kann, dass das Gehirn besser mit den übrigen Organen im Körper
kommunizieren kann. Das Buch hat etwa fünfzig Kapitel und die meisten sind
ungefähr hundert Seiten lang. Der Yogi schreibt schon seit elf Jahren daran und
will dieses Jahr einen Verlag finden, der es herausbringt. Er hat mich gebeten,
es für ihn Korrektur zu lesen. Stell dir das mal vor! Das ist so eine
wahnsinnige Ehre!«
Ehre? Klingt mehr
nach wahnsinniger Ausbeutung.
»Du, aber wenn
ich ganz ehrlich bin«, sie sah Dan tief in die Augen, »bin ich gar nicht
hergekommen, um mit dir über Bücher zu reden.«
»Nicht?«
Nicht?
Dan wurde rot,
sah auf den Boden und stieß mit der Schuhspitze gegen die Zigarette, von der er
behauptet hatte, sie würde nicht ihm gehören. Er würde sie jetzt verdammt gern
rauchen.
»Nein. Ich wollte
fragen, ob du vielleicht Lust hast, dich mal mit mir zu treffen. Hoffentlich
ist dir das jetzt nicht zu aufdringlich, aber weißt du, ich glaub dran, dass
man auf seine innere Stimme hören und Gelegenheiten beim Schöpfe packen muss.
Oder wie siehst du das?«
Dan nickte
eifrig.
»Weißt du, ich
bin diesen Sommer ziemlich allein. Ich bin zwar hier in Greenwich Village
aufgewachsen, war aber die ganze Zeit in einem Internat an der Westküste.
Deshalb kenn ich hier in der Stadt nicht mehr so viele Leute. Ab Herbst
studiere ich in Kalifornien an der Uni von Santa Cruz, aber ich möchte meinen
letzten Sommer vor dem Studium hier nicht total einsam verbringen.«
»Nein, das
solltest du echt nicht«, gab Dan ihr recht. »Ich würde gern was mit dir
machen.«
»Supi!«, juchzte
Bree und hüpfte vom Vorsprung. »Wie sieht es denn mit deinen Arbeitszeiten so
aus?«
»Na ja, tagsüber
arbeite ich immer. Aber ab sechs hab ich frei.«
»Cool.
Interessiert dich Bikram?«
»Klar.« Dan
nickte,
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