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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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eiskalten Wassers über die Fliesen neben meinem Bett. Ich krieche zurück unter die Decke, bleibe mit geschlossenen Augen liegen, fühle, wie die schwere Dunkelheit des Hauses versucht, sich in meinem Kopf festzusetzen.
    Vielleicht sieht so eine Depression aus, denke ich erstaunlich distanziert.
    An diesem Wochenende ist Aad wieder bei uns, aber es scheint, als könnten wir nicht zueinander durchdringen. Für ihn ist er beinahe surreal, dieser Besuch in dem kalten Haus. Er kehrt bald wieder zurück nach Amsterdam, in sein komfortables geheiztes Büro, und trifft sich abends mit Freunden zum Essen in der Stadt. Für mich ist die Dunkelheit inzwischen mein Leben. Wir fühlen uns hilflos, jeder auf seine Weise. Ich wünschte, dass ich das hier nicht alleine durchstehen müsste, habe Angst vor dem Abstand, der zwischen uns wächst. Aad möchte mir helfen, aber weiß nicht wie. »Was für einen Sinn hat es, darüber zu reden, wenn es doch keine Lösung gibt?«, fragt er, verzweifelt. Er ist allein in Amsterdam, ich bin alleine hier – zum ersten Mal denke ich, dass wir uns eigentlich aneinander festklammern sollten.
    Eines Tages steht Simone vor der Tür. »Es ist ziemlich dunkel hier, Liebling«, sagt sie, während sie sich nach irgendwelchen Fensterläden umschaut, die sie noch öffnen könnte. Sie wischt das Wasser in der Küche auf, bringt sie dann auf Vordermann, macht all die Dinge, für die ich schon seit ein paar Wochen keine Energie mehr habe.
    Zusammen fahren wir zu »Moerland«. »Warum sind Sie nicht eher gekommen?«, werde ich gefragt, »wir hatten Ihnen doch gesagt, dass es kein gutes Haus für den Winter ist.« Ich lache nur.
    Wir erhalten den Schlüssel für ein Ferienhaus, das noch weiter im Hinterland liegt. Es ist neu, trocken, die Zimmer sind um einen sonnigen, windfreien Innenhof herum angeordnet, dessen gelbe Wände sich schon allein wegen der Farbe warm anfühlen. »Wunderbar«, sagt Simone. Sie hilft mir, den inzwischen ziemlich angewachsenen Hausrat in Kartons zu verpacken. Die feuchten Kleider riechen genauso wie der Pullover, den ich mal einen ganzen Winter lang auf dem Boot hatte liegen lassen.
    An diesem Wochenende kommt Aad in ein warmes, aufgeräumtes Haus, und die schwarze Wolke treibt langsam aus meinem Kopf. Wir feiern Fienes fünften Geburtstag.
    Unsicher stehe ich am nächsten Morgen vor dem Kleiderschrank – was soll ich anziehen? Es ist kein Vorstellungsgespräch, kein Essen, kein Tag in der Stadt, kein Sport. Ich muss etwas Passendes für meinen ersten Tag an einer Landwirtschaftlichen Schule zusammenklauben. Ich entscheide mich für die einfache Variante – eine Jeans ist immer gut, dazu ein schwarzes T-Shirt mit rundem Ausschnitt, von dem nur ein Insider ahnt, dass es sich um eine teure Marke handelt. Vielleicht passen am besten Wanderschuhe dazu, doch schließlich entscheide ich mich für ein Paar Stiefel mit halbhohen Absätzen.
    Die Schule fängt schon um Viertel vor acht an, aber Marijn und Fiene sind daran gewöhnt, in aller Ruhe aufzustehen und zu frühstücken. Jetzt scheuche ich sie schon um sieben Uhr morgens ins Auto, mit einem Stück Brot auf der Hand. Laartje wehrt sich wütend, als ich sie in ihrem Kindersitz festschnalle – ich fühle mich elend, als ich sie eilig der Babysitterin in die Arme drücke. Marijn und Fiene lassen sich gleichmütig in die kahle Aula zur vorschulischen Betreuung treiben, wo sie mit einem Stapel Malvorlagen die nächste Stunde überbrücken müssen. Und weg ist die gestresste Mutter, die ein wenig zu schnell fährt, um rechtzeitig zu ihrer ersten Stunde zu erscheinen.
    Eine halbe Stunde später biege ich mit meinem Volvo mit niederländischem Kennzeichen auf den Parkplatz der Schule ein. Sie besteht aus einer kleinen Gruppe von Gebäuden am Rand von Béziers und grenzt an eine Ausfallstraße und an ein paar schlecht gepflegte Weinfelder. Eine Treppe mit zerbrochenen Fliesen führt zum Hauptgebäude hinauf, einer wenig anregenden Kreation aus den Achtzigerjahren, die in einer seltsamen Kombination aus Hellrosa und Backsteinrot gestrichen wurde. Etwas weiter hinten steht ein zweites Gebäude, das genau wie das erste kein Obergeschoss hat, ich vermute, dass es Platz für drei oder vier Klassenräume bietet. Irgendwo links sehe ich eine große Betonfläche und ein Stück eines

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