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Traeume ernten

Traeume ernten

Titel: Traeume ernten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lidewij van Wilgen
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Metall und bunten Lampen, eine gute Atmosphäre. Jeder von uns bekommt einen Platz an einem der Tische zugewiesen, auf denen schon mehrere Flaschen bereitstehen. Im Laufe des Nachmittags spreche ich eine Zeit lang mit einer Fernseh-Journalistin, die sofort die Idee hat, eine Reportage über die neuen Winzer zu schreiben. Eine junge Frau in einem hübschen schwarzen Kleid hat ein Ferienhaus in der Nähe von Mas des Dames . Sie bittet mich um meine Karte, und fragt, ob ich für sie und eine Gruppe Freunde im Sommer eine Führung machen würde. Ich rede, schenke Wein ein, habe Spaß. Schließlich werden alle Tische für das Abendessen zusammengeschoben. Erst jetzt fällt mir auf, dass nur eine andere Frau anwesend ist, eine verdrießlich dreinschauende Dame aus dem Burgund – alle anderen Winzer sind Männer zwischen 30 und 50 Jahren. Ich sitze neben Frédéric, einem der Besitzer, einem hochgewachsenen, schlanken Schwulen mit lustigen Augen und einem unschlagbaren Humor. Er schenkt mir noch ein Glas ein, wir erzählen uns verrückte Geschichten, ich habe das Gefühl, dass ich ihn schon lange kenne.
    Als ich aufschaue, sehe ich, dass François mich von der anderen Seite des Tisches aus anstarrt. Er steht auf, kommt zu mir herüber, legt zögernd eine Hand auf meine Schulter. Dann weiß er nicht weiter, kopfschüttelnd geht er zurück zu seinem Platz. In dieser Nacht schlafen wir alle im selben Hotel – mir fällt auf, wie unglaublich einfach es ist, einen Ehebruch zu begehen.
    Aber ich phantasiere mir nur einmal mehr einen Mann in mein Bett.
    Am nächsten Tag findet eine weitere Weinprobe statt. Menschen belagern den Stand von François, ich führe Gespräche, schenke Wein ein, am Ende des Tages sind alle Kartons leer. Jetzt würde ich gerne in mein eigenes Auto steigen, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Stattdessen folge ich François zu seinem Bus. »Ist es in Ordnung, wenn wir noch bei ein paar Freunden von mir vorbeischauen?«, fragt er. Ich habe keine Wahl. Also parken wir vor einem hohen Gebäude und gehen über einen Innenhof mit gusseisernen Treppen nach oben.
    In einem großen, unordentlichen Apartment mit viel moderner Kunst an den Wänden sitzen drei Frauen auf einem Sofa. Einer kräftigen Blondine kommt ihr geschmeidiges Lächeln abhanden, als sie mich hinter François hereinkommen sieht. Keine Sorge, er gehört dir, denke ich, während ich mich weit von ihrem Lustobjekt entfernt auf einen wackeligen Klappstuhl setze. Es hilft nicht.
    Endlich, um halb elf abends, fahren wir weiter. François hat ein Lächeln auf den Lippen, das an das der Blondine von vorhin erinnert. Er erzählt von der schwierigen Beziehung zu seiner Frau, versucht, in aller Ruhe auch mehr über meine Situation herauszufinden. Plötzlich, im Dunkeln, streichelt seine Hand über meine Wange – fast wie eine Großmutter, die ihren Enkel tröstet, der hingefallen ist. Es fehlt nur, dass er hineinkneift. Ich rutsche weiter von ihm weg, Richtung Tür, während er weiterredet und seine Hand sich freundlich, aber bestimmt weiter in Richtung meines Oberschenkels bewegt. Ich klammere mich an meine Tasche – wie eine Raupe stehe ich den Rest der Reise in einem Kokon durch, aus dem nur noch mein Kopf herausschaut. Spät in der Nacht kommen wir auf dem Weingut an. Als ich aussteige, geht François um das Auto herum auf mich zu. Ich will ihm einen höflichen bise auf die Wange geben, aber er dreht seinen Kopf herum und drückt mit einer Mischung aus Verlegenheit und Begierde seine Lippen auf meine. Es dauert nur eine Sekunde, aber ich spüre, wie warm und weich seine Lippen sind – es ist 100 Jahre her, dass ein fremder Mann mich angefasst hat. Mit einer vorsichtigen Bewegung mache ich mich los. Ich klopfe ihm freundlich auf den Arm, bedanke mich dafür, dass er mich mitgenommen hat, und gehe alleine zum dunklen Haus hinüber.
    Ich muss an Aad denken.
    Ich bin jetzt beinahe jeden Tag in den Weinfeldern. Vor einem Jahr hatte ich mich einer Gruppe Winzer angeschlossen, die den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern möchten. Einmal in der Woche, um halb acht am Morgen, gehen wir mit einem Techniker in eines der Weinfelder und verteilen uns über die Reihen, um Blatt für Blatt nach Krankheitsanzeichen zu untersuchen. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass ich es einmal als schwierig

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