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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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reglos und schwieg, als wartete ich darauf, daß der Arm einschliefe. Ob nun, weil er unbefriedigt war oder sich im Dunkeln fürchtete, – er schmiegte die Hand unter meine Achsel, und schließlich stieg er, indem er die fünf Finger wandern ließ, auf meine Brust herauf. Krümmte selbst den Ellbogen um und nahm so eine Haltung ein, in der er meine Brust fest umschlang.
    Ein zarter Puls schlug in diesem Mädchenarm. Da das Handgelenk über meinem Herzen lag, klang der Puls einträchtig mit meinem Herzschlag zusammen. Er war etwas langsamer, bald aber hatte er denselben Rhythmus wie mein Herzschlag, den allein ich nun noch spürte. Welcher schneller, welcher langsamer geworden war, – ich wußte es nicht.
    Daß der Puls am Handgelenk und der Schlag des Herzens sich so im Gleichklang befanden, – womöglich war es für die kurze Zeit, die mir zugestanden wurde, daß ich jetzt meinen rechten Arm gegen den rechten Mädchenarm auszuwechseln versuchte. Oder war es nur ein Anzeichen dafür, daß der Mädchenarm eingeschlafen war? Zwar hatte ich einmal eine Frau sagen hören, glücklicher als in der Trunkenheit rasender Wonnen fühle sich eine Frau dann, wenn sie an der Seite ihres Geliebten ruhig einschlafe; jedoch hatte ich nie eine Frau erlebt, die so friedlich neben mir gelegen hätte wie dieser Mädchenarm.
    Da das Handgelenk mit dem Mädchenpuls darüber lag, war ich mir meines eigenen Herzschlags um so bewußter. Ich hatte den Eindruck, zwischen dem einen Schlag und dem nächsten flöge etwas in eine weite Ferne und kehrte gleich darauf zurück. Während ich ohne Unterlaß so auf meinen Herzschlag lauschte, schien diese Ferne immer größer zu werden. Doch flöge es auch noch so weit, flöge es unendlich weit, – da war kein Ziel, zu dem es flog. Ohne irgendwo anzukommen, kehrte es um. Hastig rief es der nächste Herzschlag zurück. Ich hätte mich fürchten müssen, aber da war keine Furcht. Trotzdem tastete ich nach dem Schalter am Kopfende.
    Bevor ich jedoch die Lampe einschaltete, schlug ich vorsichtig die Wolldecke auf. Der Mädchenarm merkte nichts davon, er schlief. Ein sanfter, fahlweißer Schimmer umschlang meine nackte Brust. Wie ein Lichtschein, der aus meiner Brust nebelhaft heraufdrang. Wie die Helle, die einer aus meiner Brust warm aufsteigenden kleinen Sonne vorausging.
    Ich machte Licht. Ich löste den Mädchenarm von meiner Brust, faßte ihn mit der einen Hand am Schultergelenk, mit der anderen an den Fingern und streckte ihn gerade. Das Licht der schwachen, fünfkerzigen Lampe ließ seine Rundungen, die Spuren von Helle auf ihm als geschmeidige Wellen erscheinen. Während ich den Mädchenarm behutsam um und umdrehte, beobachtete ich unausgesetzt, wie sich Licht und Schatten flackernd ausbreiteten von der Rundung des Schultergelenks über die Wölbung des schlankeren Oberarms, die noch schlankere, feine Ellbogenkuppe, durch die leichte Vertiefung in der Armbeuge, dann über die immer zierlicher werdende Rundung zum Handgelenk hin bis auf den Handteller und über den Rükken der Hand auf die Finger.
    »Nun also werde ich ihn nehmen«, murmelte ich, ohne mir dessen bewußt zu sein.
    Danach, und auch davon wußte ich nichts, denn es geschah, während ich mich wie in Trance befand: entfernte ich meinen rechten Arm von der Schulter und setzte mir dafür den rechten Mädchenarm an.
    Ein leiser Aufschrei, – hatte der Mädchenarm, hatte ich geschrien? Und als mir plötzlich ein Zucken durch die Schulter fuhr, da begriff ich, daß die Arme ausgetauscht waren.
    Der Mädchenarm, nun mein Arm, griff zitternd ins Leere. Ich bog ihn zu meinem Mund heran: »Tut es weh? Quält es dich?«
    »Nein, das nicht. Wirklich nicht«, stammelte der Arm, und im selben Augenblick durchblitzte mich ein Schaudern. Ich hatte die Finger dieses Arms im Mund. »…«
    Wie denn hätte ich die Wonne ausdrücken können? Dadurch nur, daß ich die Mädchenfinger mit der Zunge berührte; zu Worten formte sie nichts.
    »Aber ja doch, ja!« erwiderte der Mädchenarm. Das Zittern hatte längst aufgehört. »So ist es mir gesagt worden, dennoch …«
    Plötzlich bemerkte ich: ich fühlte zwar die Finger in meinem Mund, aber umgekehrt konnten die Finger des rechten Mädchenarms, also meines rechten Arms meine Lippen und meine Zähne nicht fühlen. Bestürzt versuchte ich den rechten Arm zu schütteln; die Empfindung jedoch, daß ich ihn schüttelte, hatte ich nicht. Da war eine Sperre, ein Versagen zwischen Schulterrand und

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