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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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ich wäre frech? Du weißt doch wohl, daß ich die Erlaubnis habe, meinen rechten Arm gegen dich auszutauschen, oder?« »Ich weiß«, antwortete der rechte Mädchenarm. »Auch das nicht purer Übermut. Trotzdem, irgendwie ist mir bange.« »Wirklich?« »Ware es dir denn recht?« »Ja sicher.«
    »…« Zweifelnd ließ ich die Mädchenstimme ein-
dringen in mein Ohr. »Du sagst ›ja‹, – sag es noch ein-
mal!«
»Aber ja!«
    Ich erinnerte mich. Diese Stimme glich so sehr der Stimme jener einen jungen Frau, als sie sich schließlich bereit gefunden hatte, sich mir ganz hinzugeben. Sie war längst nicht so schön gewesen wie das Mädchen, das mir seinen einen Arm geliehen hatte. Und vielleicht ein wenig sonderbar.
    »Aber ja!« hatte sie gesagt und mich aus weit geöffneten Augen angestarrt. Ich liebkoste ihre Lider, damit sie sie zufallen ließe. Da sagte sie: »›Jesus aber weinte. Und die Juden sprachen untereinander; O seht, wie sehr er sie geliebt hat …‹« »…«
    Doch mußte es ›ihn‹ heißen statt ›sie‹; denn es ging um den toten Lazarus. Ob sie, als Frau, die sie war, sich nicht richtig erinnerte, oder wußte sie es und zitierte absichtlich falsch?
    Ihre seltsamen, in dieser Situation so unerwarteten Worte erschreckten mich. Mit angehaltenem Atem starrte ich auf ihre geschlossenen Augenlider: liefen etwa Tränen darunter hervor?

    Die junge Frau hatte die Augen wieder geöffnet und sich mit dem Oberkörper aufgerichtet. Ich preßte ihre Brust mit meinen Armen nieder.
    »Ah, tut das weh!« Sie legte die Hand auf ihren Hinterkopf. »Tut das weh!«
    Auf dem weißen Kopfkissen klebte ein wenig Blut. Ich schob ihr Haar auseinander und suchte. Dann preßte ich meinen Mund auf die blutende Stelle. »Laß nur. Bei mir kommt das Blut schnell, so was passiert mir of.« Sie zog sämtliche Haarnadeln heraus. Eine hatte sich in den Kopf gebohrt.
    Die junge Frau bemühte sich, den Krampf zu unterdrücken, der ihre Schultern durchzuckte. Zwar meine ich, ich verstehe die Gefühlslage, aus der heraus eine Frau sich hingibt, und doch fallt es mir schwer, ganz davon überzeugt zu sein. Was eigentlich bedeutet es für eine Frau, wenn sie sich hingibt? Warum wünscht sie selbst, ja warum fördert sie von sich aus ihre eigene Unterwerfung? Obwohl ich inzwischen weiß, daß jeder weibliche Körper darauf eingerichtet ist, war ich mir da doch nie so ganz sicher. Und wie alt ich nun auch bin, – ich kann mir nicht helfen: ich finde es seltsam. Andererseits wiederum ist es durchaus möglich, daß mir von Fall zu Fall der Körper einer Frau und die Art, wie sie sich hingibt, je nachdem verschieden erscheinen, oder ähnlich, oder gleich. Ist nicht auch das sehr seltsam? Vielleicht sind es weit jugendlichere Sehnsüchte, als sie zu meinen Jahren passen, oder es sind die Verzweiflungen eines noch längst nicht erreichten Greisenalters, daß ich all das so seltsam finde. Sollte ich in meinen Empfindungen so verkrüppelt sein?
    Nicht alle Frauen, die sich mir hingaben, haben gelitten wie sie. Und auch bei ihr war es nur das eine Mal. Der silberne Faden zerriß, die goldene Schale zerbrach.

»Aber ja!« hatte der Mädchenarm gesagt, und das hatte mich erinnert an jene andere Frau. Indessen, waren die beiden Stimmen einander denn wirklich ähnlich gewesen? Hatten sie sich nicht einfach deshalb so ähnlich angehört, weil sie dieselben Worte ausgesprochen hatten? Selbst aber wenn es dieselben Worte gewesen waren: besaß der von seinem Mutterleib losgelöste Arm im Unterschied zu jener jungen Frau nicht eine ganz andere Unabhängigkeit? Und weiter: war nicht der Arm, gerade wenn es die Hingabe betraf, zu allem imstande, und das ohne Zurückhaltung, ohne Verantwortlichkeit, ohne Reue? Andererseits würde, wenn ich meinen rechten Arm dem auffordernden ›Ja‹ entsprechend gegen den rechten Mädchenarm austauschte, das Mädchen als sein Körper wahrscheinlich außerordentliche Qualen erleiden müssen.
    Ich starrte noch immer auf den auf meinem Schoß liegenden Mädchenarm. In der Armbeuge stand ein schwacher Lichtschein. Ich meinte, ihn forttrinken zu können. So krümmte ich den Mädchenarm ein wenig, damit dieser Lichtschein zusammenliefe, hob ihn auf und setzte ihn an meine Lippen.
    »Ah, das kitzelt! Nicht doch!« sagte der Mädchenarm,
und wie um meinen Lippen auszuweichen, umschlang
er meinen Hals.
»Gerade wollte ich etwas Gutes trinken.«
»Trinken?«
»…«
»Was denn trinken?«
»Den Duf von Licht hier auf deiner

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