Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
Vom Netzwerk:
Mädchenschulter, – sie fühlte dies auf eine ganz natürliche Weise. Und ich selbst und der Mädchenarm wußten es schließlich ebenfalls. Also wurden wir benommen davongetragen in einen erlösenden Schlaf. Und dann schlief ich.
    Der alles umhüllende Nebel hatte sich in ein helles Violett verfärbt; ich trieb dahin auf einer sanf strömenden großen Woge. Dort allein, wo mein Körper schwamm, blinkten fahlgrüne Kräuselwellen. Das Zimmer mit meiner dumpfen, trüben Einsamkeit war verschwunden. Mir schien, als hätte ich meinen linken Arm leicht aufgestützt auf den rechten Mädchenarm. Und als hielten die Mädchenfinger jene Staubfäden der Magnolienblüte. Ich sah sie nicht, aber ich spürte ihren Duf. Ich war sicher, ich hatte die Staubfäden in den Papierkorb geworfen; wann und warum denn hatten die Finger sie aufgehoben? Und warum wohl waren die Staubfäden abgefallen, aber die weißen Blütenblätter saßen noch fest nach einem Tag? Der Wagen der scharlachrot gekleideten Frau, einen weiten Kreis mit mir im Mittelpunkt beschreibend, glitt vorbei. Als ob er unseren, meinen und des Mädchenarms Schlaf bewachte.
    Es war wohl ein flacher Schlaf; niemals zuvor jedoch war mir ein Schlaf so warm und süß vorgekommen. Noch niemals war ich, der ich mich sonst stets mit dem Einschlafen quälte, beglückt worden mit einem so kindlichen Fortschlummern.
    Während ich eine leichte Berührung empfand, als schabten die entzückend schmalen und langen Mädchennägel über meinen linken Handteller, wurde er tiefer, mein Schlaf. Ich tauchte hinab. »Ah!«
    Ich fuhr hoch von meinem eigenen Schrei. Stieg aus dem Bett, halb fiel ich und taumelte drei, vier Schritte hin.
    Als ich plötzlich erwacht war, hatte mich etwas Unheimliches an der Seite berührt. Es war mein rechter Arm.
    Ich suchte mich auf meinen schwankenden Beinen zu halten und starrte hinab auf meinen rechten Arm, der dort auf dem Bett lag. Ich hielt den Atem an, das Blut floß mir rückwärts, ein Schauder überlief mich am ganzen Körper. Meinen Arm erkennen, war Sache eines Augenblicks. Im nächsten Augenblick riß ich mir den Mädchenarm von der Schulter und setzte meinen rechten Arm wieder an seine Stelle. Das war wie Mord in einem Anfall von Satanismus.
    Ich kniete nieder vor dem Bett, warf meinen Ober-
    körper vornüber und strich mir mit dem eben zurückgeholten Arm, meinem eigenen rechten Arm über das wild rasende Herz. Als dann der Herzschlag ruhiger wurde, strömte aus meinem tiefsten Innern die Trauer herauf.
    »Und der Mädchenarm …?« Ich hob das Gesicht. Der Mädchenarm lag hingeschleudert vor dem Bett. Auf der hastig beiseite geworfenen Wolldecke, die Handfläche nach oben gedreht. Die ausgestreckten Finger bewegten sich nicht. Er war von einem fahlen Weiß in dem dämmrigen Licht. »Ah!«
    Verwirrt hob ich den Mädchenarm auf und preßte ihn fest an meine Brust. Preßte diesen einen Mädchenarm an meine Brust, als umfinge ich ein geliebtes, hilfloses Kind, in dem das Leben kalt wird. Ich nahm die Mädchenfinger in meinen Mund. Für den Fall, der Tau der Frau träte aus zwischen den langen Nägeln des Mädchens und den Fingerkuppen … (963/64)

    Das Mal auf der Schulter

    Vergangene Nacht träumte ich einen seltsamen Traum von jenem Muttermal. Schon allein wenn ich das Wort ›Muttermal‹ schreibe, wirst du mich verstehen. Ich meine das Mal, um dessentwillen ich von dir – ich weiß nicht wie unendlich of – gescholten worden bin.
    Das schwarze Mal, das ich an einer Stelle habe, die vielleicht besser mit Halsansatz als mit rechter Schulter zu bezeichnen ist.
    »Das ist ja«, pflegtest du mich zu hänseln, »größer als eine schwarze Bohne! Wenn du allzu viel daran herumspielst, wird es bald zu keimen anfangen …« Und wirklich ist es nicht nur groß, sondern für ein Muttermal auch ganz ungewöhnlich und zudem dick angeschwollen.
    Seit ich klein war, hatte ich die Angewohnheit, sobald ich im Bett lag, an dem Mal herumzuspielen. Damals, als du diese Angewohnheit zuerst bemerktest, wie war ich da beschämt! Die Tränen kamen mir, und daß ich weinte, versetzte dich in Bestürzung.
    Zwar hatte Mutter mich gelegentlich mit Worten zurechtgewiesen wie: »Willst du das wohl gleich lassen, Sayoko! Wenn du es anfaßt, wird es nur noch größer.« Aber das war, ehe ich vierzehn, fünfzehn wurde; später dann, es ging ja nur mich selber etwas an, entwikkelte sich daraus eine ständige Angewohnheit, eine Angewohnheit, der ich nachgab, ohne daß ich

Weitere Kostenlose Bücher