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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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Armgelenk.
    »Das Blut zirkuliert nicht«, platzte ich heraus. »Wird es überhaupt zirkulieren oder nicht?«
    Furcht überfiel mich. Ich setzte mich auf im Bett. An der Seite lag, wie er hingefallen war, mein eigener Arm. Er drängte sich in meinen Blick. Der eigene Arm, von einem losgelöst: ein häßlicher Arm. Vor allem aber: ob nicht in diesem Arm der Puls stehengeblieben war? Warm schlug in dem Mädchenarm der Puls; dagegen sah mein rechter Arm aus, als würde er kalt und erstarrte. Mit dem jetzt an meiner Schulter befestigten rechten Mädchenarm langte ich nach meinem rechten Arm. Zwar vermochte ich ihn zu ergreifen, doch das Gefühl, ihn ergriffen zu haben, hatte ich nicht.

    »Ist der Puls noch da?« fragte ich den rechten Mädchenarm. »Oder wird er etwa schon kalt?«

    »Ein wenig, ein klein wenig kälter ist er, scheint mir, als ich«, erwiderte der Mädchenarm. »Das kommt daher, weil ich so warm geworden bin.«
    Der Mädchenarm sprach das ›Ich‹ auf eine sehr weiblich weiche Weise aus. Jetzt zum erstenmal, seit er an meiner Schulter mein Arm geworden war, vernahm mein Ohr, wie er von sich selbst in diesem Tonfall sprach.
    »Und der Puls ist nicht erloschen?« fragte ich von neuem.
    »Aber nein. Du solltest mir, denke ich, Glauben schen-
ken … oder?«
»Glauben, – woran?«
    »Hast du denn nicht deinen eigenen Arm gegen mich ausgetauscht?« »Wenn nun aber das Blut nicht zirkuliert?«
    »›Weib, wen suchest du?‹ … Kennst du die Stelle?« »Freilich kenne ich sie. ›Weib, warum weinest du? Wen suchest du?‹ …«
    »Nachts, wenn ich aus einem Traum erwache, sage ich of diese Worte vor mich hin.«
    Kein Zweifel, daß jetzt das ›Ich‹ den Mutterleib des schönen Arms an meiner Schulter meinte. Diese Worte aus der Bibel klangen mir nach einer Ewigkeitsstimme, ausgesprochen an einem Ewigkeitsort. »Sollte sie, von bösen Träumen gequält, schlaflos liegen …?« begann ich vom Mutterleib des Arms zu reden. »Das ist ein Nebel draußen, so recht dafür geschaffen, daß sich die Dämonen in Scharen tummeln. Andererseits heißt es, auch Dämonen kriegen den Husten, wenn sie naß werden.« »Damit du nicht etwa die Dämonen husten hörst …« Und so hielt mir der rechte Mädchenarm, noch immer meinen eigenen rechten Arm in der Hand, das rechte Ohr zu.
    Der rechte Mädchenarm war nun in Wahrheit mein rechter Arm, doch schien mir, als wäre nicht ich es, der ihn bewegte, sondern sein eigener Wille. Nein, so scharf war die Trennung auch wieder nicht.
    »Der Puls, das Pulsgeräusch …«
    Ich hörte im Ohr den Puls an meinem eigenen rechten Arm. Da der Mädchenarm, ohne meinen rechten Arm loszulassen, an mein Ohr gekommen war, hatte er mir das eigene Handgelenk auf die Ohrmuschel gepreßt. Und tatsächlich besaß mein rechter Arm noch Körperwärme. Wie der Mädchenarm gesagt hatte: er war ein wenig kälter als mein Ohr und die Mädchenfinger. »Ich wehre dir die Dämonen ab …« Verschmitzt stocherte der zarte lange Nagel vom kleinen Finger des Mädchens in meinem Ohr herum. Mit einem Kopfschütteln wich ich aus. Packte mit meiner linken Hand, dieser wirklich mir gehörigen Hand, mein rechtes Handgelenk, in Wahrheit also das rechte Handgelenk des Mädchens; und dann, bei zurückgeneigtem Kopf, fiel mein Blick auf den kleinen Finger des Mädchens. Mit vier Fingern hielt die Mädchenhand meinen von der Schulter abgelösten rechten Arm. Nur der kleine Finger – als hieße das: nun, mag er sich vergnügen – war zum Handrücken zurückgekrümmt und berührte mit der Spitze seines Nagels leicht meinen rechten Arm. Er war in einer Art gekrümmt, wie es nur den gelenkigen Fingern eines jungen Mädchens möglich ist, mir aber, einem Mann mit steifen Händen, nicht zuzutrauen wäre. An seiner Wurzel hatte sich der kleine Finger in einem rechten Winkel von der Handfläche weggebogen. Und auch im nächsten Gelenk bog er sich in einem rechten Winkel, dann im folgenden abermals. Wie von selbst bildete damit der kleine Finger ein Viereck, dessen eine Seite der Ringfinger war.
    Dieses viereckige Fenster stand so, daß mein Auge hindurchsah. Zwar war es zu klein, um es als ein Fenster bezeichnen zu können, und richtiger sollte ich von einem Guckloch oder einem Monokel sprechen; aus irgendeinem Grunde jedoch machte es mir den Eindruck eines Fensters. Eines Fensters, durch das ein Veilchen nach draußen schaut. Diesen Fensterrahmen, oder diese Monokeleinfassung aus dem so weißen kleinen Finger, daß er einen

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