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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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schwachen Lichtschein hatte, brachte ich noch näher an mein Auge. Und das andere Auge schloß ich.
    »Ein Guckkasten …?« fragte der Mädchenarm. »Kannst du etwas sehen?«
    »Mein düsteres, verwohntes Zimmer … im Licht der
fünf kerzigen Lampe …« Ohne jedoch zu Ende zu
sprechen, rief ich, und fast war es wie ein Schrei: »Ah,
nein! Da sehe ich es!«
»Was siehst du?«
»Jetzt ist es schon nicht mehr zu sehen.«
»Aber was hattest du denn gesehen?«
    »Eine Farbe, verstehst du? Einen hellvioletten Lichtschein, ein wirres Flackern … Und inmitten des Violetts flogen wirbelnde Schwärme roter und goldener, hirsekorngroßer Ringe …«
    »Du wirst müde sein.«
    Der Mädchenarm legte meinen rechten Arm auf das Bett und strich mir mit den Fingerkuppen zärtlich über die Augenlider.
    »Sollte es so gewesen sein, daß sich die winzigen roten und goldenen Ringe im Herumwirbeln zu einem großen Zahnrad formten …? Solltest du gesehen haben, daß in diesem Zahnrad sich irgendwie etwas bewegte, bald sichtbar wurde, bald wieder verschwand …?« Mir war es eine flüchtige Erscheinung gewesen, von der ich nicht wußte, ob ich ein Zahnrad und etwas in dem Zahnrad gesehen hatte oder ob es mir wenigstens so vorgekommen war; von der ich nichts im Gedächtnis behalten hatte. Und weil ich mich nicht erinnerte, was für eine Erscheinung es gewesen war, fragte ich: »Welche Träume wolltest du mir denn vorführen?« »Ach, ich bin ja hier, um die Träume auszulöschen.« »Träume von lang vergangenen Tagen, von Sehnsucht und Trauer …«
    Die Mädchenfinger, die Mädchenhand hielten in ihren Bewegungen über meinen Augenlidern inne.
    »Wenn du nun«, kam mir die Frage unvermittelt auf die Lippen, »dein Haar aufindest, – fällt es dir dann bis auf Schultern und Arme herab?«
    »Ja, dafür ist es lang genug«, erwiderte der Mädchenarm. »Beim Baden, wenn ich mir das Haar wasche, nehme ich zwar heißes Wasser, zum Schluß aber – vielleicht eine dumme Angewohnheit von mir – spüle ich das Haar mit klarem Wasser so lange aus, bis es kalt wird. Ein herrliches Gefühl: das kalte Haar dann auf Schultern und Armen und auf den Brüsten auch …« Natürlich meinte der Arm die Brüste seines Körpers. Das Mädchen, dessen Brüste gewiß noch nie von einem Mann berührt worden waren, hätte zu mir vermutlich nie davon gesprochen, mit welcher Empfindung es das frisch gewaschene, nasse und kalte Haar auf seinen Brüsten spürte. Hatte sich der vom Mädchenkörper losgelöste Arm zugleich auch von der Zurückhaltung oder dem Schamgefühl des Mädchens losgelöst? Vorsichtig schloß ich meine linke Hand um die anmutige Schulterrundung jenes Arms, der, rechter Arm des Mädchens, nun mein rechter Arm war. Ich meinte mit meiner Handfläche die noch nicht allzu große Wölbung der Mädchenbrust zu umschließen. Wirklich fühlte sich die Schulterrundung genauso zart an. Währenddessen lag die Mädchenhand sanf über meinen Augen. Zärtlich saugten sich Handfläche und Finger an meinen Lidern fest, bis mir schien, als würden von ihrem durchdringenden Dunst meine Augenlider auf den Innenseiten warm und feucht. Und diese warme Feuchtigkeit breitete sich aus bis in meine Augäpfel hinein.
    »Jetzt zirkuliert das Blut«, sagte ich leise, »es zirkuliert.«
    Das war kein erschrecktes Aufschreien wie in jenem Augenblick, als mir klargeworden, daß ich meinen rechten Arm gegen den rechten Mädchenarm ausgewechselt hatte. Weder in meiner Schulter noch in dem Mädchenarm war auch nur ein Zucken oder Beben. Wann wohl hatte das Blut begonnen, zwischen meinem Körper und dem Mädchenarm hin und her zu fließen? Wann waren die Sperre, das Versagen am Schultergelenk verschwunden? In diesem Augenblick jetzt schoß das reine Blut des Mädchens herüber in meinen Körper; was aber würde sich ereignen, wenn dieser Mädchenarm, nachdem erst einmal das verderbte Blut eines Mannes, wie ich einer bin, in ihn eingedrungen, an die Schulter des Mädchens zurückkehrte? Wenn er sich nun nicht wieder wie zuvor an die Mädchenschulter anfügen wollte, – was dann?
    »Nein«, murmelte ich, »so darf ich ihr Vertrauen
nicht mißbrauchen.«
»Es ist ja gut«, flüsterte der Mädchenarm.
    Andererseits hatte ich keine übertriebene Empfindung dabei, daß ich mir sagte: da fließt nun zwischen meiner Schulter und dem Mädchenarm das Blut hin und her, fließt unser beider Blut in einem Strom. Meine linke Hand, die die rechte Schulter umfaßte, aber auch die Rundung der

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