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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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möchte ich,
daß du nicht hinfaßt, verstehst du?«
»Ich fass’ doch nicht absichtlich hin.«
    »Eigensinnig bist du jedenfalls. Was man dir auch sagt, – du unternimmst nichts, um die Angewohnheit loszuwerden.«
    »Ich unternehme wohl etwas. Ich habe sogar schon in einem Hemd geschlafen, das bis zum Hals geschlossen ist, damit ich nicht an das Mal fassen kann.«
    »Nicht einmal das hast du lange durchgehalten, oder?«
    »Ist es denn eigentlich wirklich ein solches Verbrechen, das Mal anzufassen?« versuchte ich mich aufzulehnen. »Mag sein, ein Verbrechen ist es gerade nicht. Aber ich finde es widerlich; deshalb sage ich: laß es!« »Und warum findest du es so widerlich?«
    »Die Gründe dafür brauchen wir doch wohl nicht zu erörtern. Es ist nicht notwendig, daß du hinfaßt; eine üble Angewohnheit, die du also besser unterließest.« »Ich habe nie behauptet, daß ich es nicht lassen will.« »Immer wenn du das Mal anfaßt, hast du ein so sonderbares, geistesabwesendes Gesicht. Richtig jammervoll sieht das aus.«
    »Jammervoll – ?« Vielleicht war es wirklich an dem? Irgendwie schnitt mir das ins Herz, und fast hätte ich mit dem Kopf genickt. »Sollte ich künfig wieder hinfassen, so schlag mich bitte auf die Hand oder auch auf die Wange.«
    »Nun ja; aber findest du es nicht schändlich, daß du dir eine solche Kleinigkeit – und es geht doch nun schon zwei, drei Jahre – nicht selbst abgewöhnen kannst?«
    Ich schwieg und versuchte herauszufinden, was du mit dem Ausdruck ›jammervoll‹ gemeint haben könntest. Vielleicht wirkte meine Haltung, wenn ich den Arm um die Brust herumführte, um das Mal hinter dem Hals zu betasten, irgendwie zum Erbarmen verloren. Nicht, daß man sie ›vereinsamt‹ nennen konnte; das wäre ein zu erhabener Ausdruck. Es mochte weit eher schäbig aussehen oder engherzig. Ich schien dir wohl eine verdrießliche Frau, hartnäckig bemüht, ihr kleines Ich zu verteidigen. Und zweifellos machte ich dabei – wie du sagtest – ein geistesabwesendes und sonderbares Gesicht.
    War das etwa ein Beweis dafür, daß sich unbemerkt ein Abgrund aufgetan hatte, daß ich mich dir gegenüber durchaus nicht offen und ehrlich gab? Traten dann, wenn ich nach der Angewohnheit aus meiner Jungmädchenzeit unabsichtlich das Mal berührte und dabei mich selbst vergaß, meine wahren Empfindungen auf mein Gesicht?
    Es war doch wohl eher so, daß du deinen scharfen Blick deshalb auf eine solch kleine weibliche Angewohnheit richtetest, weil du nun einmal mit mir unzufrieden warst. Denn wärst du mit mir zufrieden gewesen, hättest du mit einem belustigten Lachen darüber hinweggesehen.
    Wie schrecklich aber, fiel mir plötzlich ein, wenn es Männer gäbe, die meine Angewohnheit entzückend fänden, und es schauderte mich.
    Daß, als du zuerst meine Angewohnheit bemerktest, dies aus deiner Zuneigung zu mir geschah, glaube ich auch jetzt noch, ohne im geringsten daran zu zweifeln. Sobald es jedoch zunehmend schwieriger wird, sind es solche kleinen Dinge, die ihre heimtückischen Wurzeln immer tiefer in das Verhältnis zwischen Mann und Frau eingraben. Tatsächlich mag es Ehepaare geben, bei denen dem einen die Angewohnheiten des anderen nichts mehr ausmachen; ist die Ehe indessen nicht in Ordnung, kann ein Ehepaar auch ins genaue Gegenteil verfallen. Ich will damit keineswegs sagen, daß es Liebe ist, wenn Eheleute sich in allem und jedem einander anpassen, oder daß es Haß ist, wenn sich Eheleute in einem fort streiten; trotzdem aber scheint mir, es wäre schließlich besser gewesen, du hättest die Tatsache, daß ich an dem Mal herumspielte, als etwas Verzeihliches ertragen.
    Wirklich fingst du an, mich zu schlagen und mit den Füßen zu treten. So sehr braucht er es nun auch wieder nicht zu tun, dachte ich; muß er mich denn gleich mißhandeln, nur weil ich unbewußt das Mal angefaßt habe? Und ich weinte zwar, doch das war allein des Scheins wegen; ich empfand keinen solchen Groll, denn allzu gut verstand ich dein Gefühl, aus dem heraus du mit einem Beben in der Stimme fragtest: »Ja, wie um alles in der Welt soll man es dir sonst abgewöhnen?« Würde ich jemandem davon auch nur erzählen, gewiß hieße es da: ›Oh, was für ein rücksichtsloser Ehemann er ist!‹ Nachdem es indessen einmal so zwischen uns stand, daß wir, mochte es auch ein im Grunde solch unbedeutender Anlaß sein, allmählich keinen anderen Ausweg mehr wußten, ergriff mich bei deinen Schlägen ein Gefühl der

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