Träume jenseits des Meeres: Roman
Kind erwarteten.
Billy und Jack gafften sie zunächst mit offenem Mund an, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen, sich gegenseitig auf den Rücken klopften und mit Rum auf Gilbert anstießen.
Nell musterte sie aufmerksam. Man könnte glatt meinen, Gilbert hätte etwas Kluges geleistet, dachte sie und frühstückte weiter. Kinder zeugen war leicht; ihr Mitgefühl galt Ann – sie zur Welt bringen war der schwierige Teil.
Schließlich wurde es still im Raum, bis Billy sagte: »Gestern habe ich ein Geschäft über weitere neunzig Morgen Land abgeschlossen.«
Nell ließ geräuschvoll den Löffel fallen. »Wie das? Wir haben kein Geld.«
»Ich hatte drei Fässer Rum, und das reicht als Währung allemal, wenn der Durst eines Mannes zu groß wird und er sein Land nicht mehr bearbeiten will.«
Jetzt wurde ihr einiges klar. »Du hast Alfie Dawsons Landübertragung gekauft«, sagte sie tonlos. »Was ist mit seiner Frau und seiner Tochter?«
»Die Tochter ist schon wieder in die Stadt gezogen, und seine Frau ist ebenso gierig nach Rum wie Alfie.« Er betrachtete sie argwöhnisch. »Außerdem habe ich die paar Kühe erstanden, die er noch nicht verkauft hatte«, fügte er mit Engelszungen hinzu. »Es war also ein gutes Geschäft.«
Nell wusste, dass man ihr die Missbilligung von den Augen ablesen konnte.
»Ich werde mich um sie kümmern«, fügte er hastig hinzu, denn er war sich durchaus bewusst, wie gefährlich es war, Nells hitziges Gemüt zu erregen. »Er wird das Land für mich bearbeiten und die Kühe versorgen, solange er dazu in der Lage ist, und ich werde ihn mit Rum bezahlen, so wie die Sträflinge.«
»Einen Trinker mit Alkohol entlohnen? Sehr vernünftig.« Sie verschränkte die Arme fest unter dem Busen und funkelte ihren Mann wütend an.
Billy schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Komm schon, Nell. Du weißt, dass es sinnvoll ist. Und wann habe ich dich je enttäuscht? He?«
Sie hätte es ihm gern aufgezählt, doch da ihr kein einziges Mal einfiel, hielt sie den Mund. Stattdessen dachte sie an das herrliche Land weiter oben am Fluss. Es war gutes Weideland, und Jack hatte oft sehnsüchtig davon gesprochen; nun gehörte es offenbar ihnen. Wie dumm von Alfie, solche Reichtümer aufzugeben – die einzige Chance, sich zu verbessern, für ein paar Schlucke Rum zu vertun.
Nell seufzte, ihre Wut verflog. Sie konnte verstehen, warum er es gemacht hatte, denn er stammte aus den Elendsvierteln von London. Raub und Diebstahl waren seine Vorstellung von Arbeit. Die Landzuteilung anlässlich seiner Freilassung auf Bewährung musste für ihn und seine Schlampe von Frau eine Bürde gewesen sein.
»Und? Freust du dich nicht?«
Billy wirkte besorgt, und das hatte auch einen Grund. Sie hatten jetzt Land in Hülle und Fülle, mit dem sie aber auch zurechtkommen mussten, und weder Arbeiter noch Zeit, sich ordentlich darum zu kümmern. Sie war nicht bereit, ihn so einfach davonkommen zu lassen – noch nicht. »Was wollen wir mit dem ganzen Weideland, wenn wir nur ein paar mickrige alte Kühe haben?«
»Das ist die nächste Überraschung«, sagte Jack, der seine Briefe beiseiteschob und Billy einen nervösen Blick zuwarf. »Wir sind im Begriff, Schafszüchter zu werden.«
»Wir können es uns nicht leisten, Schafe zu kaufen; außerdem gibt es in der Kolonie noch viel zu wenige – vor allem weil die Schwarzen mit ihnen wegrennen, um sie auf ihren Lagerfeuern zu braten.«
»Diese Schafe werden nicht aus der Kolonie stammen«, erklärte Jack. »Sie kommen aus Südafrika.«
Nell merkte, dass ihr der Mund offen stand, und machte ihn schnell zu. Sie schaute von Jack zu Billy und sah, wie aufgeregt sie waren. Die beiden erinnerten sie an zwei ungezogene Kinder. »Ihr beiden erzählt mir jetzt mal genau, was ihr ausgeheckt habt«, sagte sie und hatte die größte Mühe, ernst zu bleiben.
Billy lehnte sich auf dem Stuhl zurück und stopfte sich Tabak in die Pfeife, während Jack das Wort ergriff. »Ich habe mit John Macarthur gesprochen.« Er musste gesehen haben, dass ihr der Name nichts sagte. »Macarthur ist Offizier beim New South Wales Corps und hat zweihundertfünfzig Morgen Land weiter oben am Parramatta River in Anspruch genommen. Er ist ein intelligenter Mann, auch wenn sein Verhalten manchen zu forsch erscheint. Doch ist er der Meinung, dass dieses Land reif dafür ist, die beste Wolle der Welt zu produzieren.«
»Und was, bitte schön, soll ein Soldat von der Landwirtschaft verstehen?« Nell war
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