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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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wachsamen Augen der Aufseher abmühten. Sie waren einheitlich in schlabberige Hemden und Hosen mit den schwarzen Pfeilen gekleidet, die sie als Sträflinge kennzeichneten; wenigstens hatte man ihnen die Fußfesseln erspart.
    Millicents Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als sie unter ihren aufmerksamen Blicken vorbeieilte und das große Gelände hinter der Kirche ansteuerte. Susan hatte sie um diesen Botengang gebeten, da hätte sie unmöglich ablehnen können.
    Das breite, leicht abfallende Gelände hinter der Kirche war vor einiger Zeit gerodet worden: Wo einst nur Buschwerk und Bäume gewesen waren, stand jetzt ein großes, wenn auch schlicht gebautes Haus inmitten hübscher blühender Gärten. Hier wohnte Reverend Johnson mit seiner Frau, und in der Ecke dieses üppigen Gartens, getrennt durch einen Lattenzaun und im Schatten der entstehenden Kirche, befand sich die viel kleinere Kate, in der Florence lebte.
    Millicent öffnete das Tor und ging den sauberen Pfad entlang, der den winzigen Rasen in zwei Teile teilte, und stellte fest, dass Florence im Gegensatz zu Mary Johnson keine Liebe für Blumenbeete und Topfpflanzen auf der Veranda entwickelt hatte. Sie ging die geschrubbten Stufen hinauf, bemerkte die makellosen Vorhänge an den Fenstern und klopfte an die Tür.
    Florence öffnete. »Was willst du?«
    Millicent hätte gern einen Schluck Wasser gehabt und sich ein paar Minuten hingesetzt, um sich von ihrem mühevollen Weg zu erholen, doch sie fragte lieber nicht. »Ich muss mit deinem Vater sprechen«, sagte sie und schaute über Florences Schulter in das düstere Haus in der Hoffnung, er wäre da.
    Florence faltete die Hände und blieb im Türrahmen stehen, um Millicent deutlich zu machen, dass sie gar nicht daran dachte, sie hereinzubitten. »Er ist nicht da.«
    »Weißt du, wo er ist?« Millicent wurde allmählich nervös. Die Sonne verschwand rasch, und sie wollte nur noch nach Hause.
    »Ich bin nicht meines Vaters Hüterin«, entgegnete Florence mit einer Blasiertheit, für die ein weniger nervöser Mensch als Millicent sie bestimmt am liebsten geschlagen hätte.
    »Es ist dringend«, sagte Millicent verzweifelt. »Deine Mutter braucht ihn drüben im Sträflingskrankenlager.« Sie reichte Florence die Notiz.
    Florence warf einen Blick darauf und wurde zornig. »Mein Vater hat Besseres zu tun, als sich heidnischer Katholiken anzunehmen«, sagte sie unterkühlt. Sie legte eine Hand auf die Türklinke und trat einen Schritt zurück.
    Ohne nachzudenken, ging Millicent einen Schritt vor und schob die Tür mit einer Hand auf. »Sie braucht ihn, damit er Mrs. O’Neil die Sterbesakramente verabreicht«, sagte sie hastig. »Die arme Frau macht es nicht mehr lange; sie wird leichter sterben, wenn sie weiß, dass die richtigen Gebete gesprochen wurden.«
    »Mein Vater ist kein katholischer Priester«, sagte Florence eisig. »Und ich bin sicher, Mutter wird mit ihrer intimen Kenntnis der kriminellen Schichten auch ohne seine Hilfe zurechtkommen.«
    »Warum hasst du sie so?«
    »Das geht dich nichts an«, fuhr Florence sie an und versuchte erneut, die Tür zu schließen.
    Millicent gab nicht nach. »Es ist, weil sie so gut zu mir war«, entgegnete sie. »Sie und dein Vater haben mich wie eine Tochter behandelt, und ich möchte nicht, dass sie verletzt werden.«
    Florences Blick veränderte sich. »Du bist nicht ihre Tochter und wirst es auch nie sein«, fauchte sie.
    »Ich bin keine Bedrohung für dich«, sagte Millicent. Zu wissen, dass Florence Recht hatte, versetzte ihr einen Stich. »Warum bist du immer so unfreundlich?«
    »Weil du nichts weiter als eine gewöhnliche Strafgefangene bist und gewagt hast, anzunehmen, du könntest dir die Zuneigung meiner Eltern erschleichen und mich dabei verdrängen.« Ihr Gesicht war rot angelaufen, und ihre Augen glänzten unnatürlich. »Du denkst vielleicht, dass du auf die Füße gefallen bist, indem du dich in unsere Familie eingeschmeichelt hast – aber ich kenne den wahren Grund, warum man dich aufgenommen hat, und das hat nichts mit Nächstenliebe oder Mitleid zu tun.«
    Millicent spürte förmlich die Wogen der Eifersucht, die ihr von Florence entgegenschlugen, und das machte ihr Angst. »Was willst du damit sagen?«, stammelte sie.
    Florence trat vor, die Augen funkelten böse. »Du und meine liebe Mutter habt mehr gemeinsam, als du denkst«, knurrte sie. »Und genau deshalb hat sie versucht, ihr Gewissen damit zu beruhigen, dass sie sich um dich

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