Träume jenseits des Meeres: Roman
bittere Entgegnung hinunter. Lady Cadwallader hatte gewusst, dass sie einem solchen Kleid nicht widerstehen könnte. Es würde ihr recht geschehen, wenn sie, Susan, das Geschenk ignorierte und das schlichte Kleid trüge, an dem sie und ihre Mutter wochenlang genäht hatten – oder noch besser, wenn sie in ihren alten Arbeitskleidern ganz ohne Unterhose zur Kirche ginge. Damit jedoch würde sie Ezra nur verletzen.
Nein, sie würde dem alten Miststück schon zeigen, dass sie eine feine Dame sein konnte, und sie würde sich die größte Mühe geben, Ezra eine gute Frau zu sein und etwas aus sich zu machen, nun, da sie die Chance dazu hatte.
Sie riss das Kleid an sich und lief die steile Treppe in das Zimmer hinauf, das sie mit ihren Schwägerinnen teilte.
Ezra schüttelte den Gemeinderatsmitgliedern die Hand. Er begrüßte auch den Geistlichen, der aus Penzance gekommen war, um den Traugottesdienst abzuhalten. Er erklärte ihm, er werde allein vor den Altar treten – ohne seinen Bruder Gilbert verzichtete er lieber ganz auf einen Trauzeugen.
Allmählich trafen die Gäste ein, manche im Einspänner, die meisten zu Fuß oder hoch zu Ross. Seine Gemeindemitglieder aus Newlyn und den Weilern Sheffield und Tredavoe sowie aus Mousehole stellten die meisten Zuschauer – eine Hochzeit war die Gelegenheit, sich über den neuesten Klatsch auszutauschen –, es waren aber auch ein oder zwei Würdenträger aus der Kreisverwaltung zugegen, die Besitzer einiger Unternehmen aus der Umgebung und ein paar ältere Damen. Lady Cadwallader traf in einer livrierten Kutsche ein, mit einem Lakaien, der ihr beim Aussteigen half; nachdem sie Ezra herablassend zugenickt hatte, verschwand sie im Halbdunkel der Kirche.
Ezra war nicht der Mann, der sich leicht mit anderen anfreundete, und die meisten hier waren nur Bekannte, aber die Stimmung war ausgelassen, die Sonne schien, und die hellen Hauben und hübschen Kleider der Frauen verstärkten das Gefühl, dass der Tag glatt verlaufen würde. Dennoch war Ezra nervös. Dauernd warf er einen Blick auf den steilen Pfad, der ins Dorf hinunterführte. Wenn Susan nun ihre Meinung geändert hatte? Seine aufsteigende Panik wurde eingedämmt, als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte.
»Was soll das ganze Gerede, du habest keinen Trauzeugen, Ezra? Ich dachte, das sei meine Aufgabe?«
Ezra wirbelte auf dem Absatz herum. »Gilbert«, keuchte er, in der heftigen Umarmung fast versinkend. »Was für eine wunderbare Überraschung.«
Gilbert ließ ihn los und grinste. Sie waren von gleicher Größe und Statur, hatten beide schwarze Haare, doch damit war die Ähnlichkeit auch schon erschöpft. Gilbert war zehn Jahre lang mit der Armee in Indien gewesen, und seine Haut war mahagonifarben. In seiner leuchtend roten Uniform und dem Hut mit einer Kokarde machte er eine schnittige Figur; seine breiten Schultern und die muskulösen Beine waren Zeugnis seiner harten körperlichen Betätigung, der üppige Schnurrbart belegte seine Eitelkeit. »Konnte doch meinen kleinen Bruder nicht allein heiraten lassen, oder?«
Auch Ezra musste grinsen. »Ganz und gar nicht«, stimmte Ezra zu. »Aber warum hast du nicht geschrieben und mir mitgeteilt, dass du kommst?«
»Das Leben in der Armee, mein Lieber. Man weiß nie, wohin man am nächsten Tag geschickt wird, und die Post ist, gelinde gesagt, unzuverlässig. War für einen kurzen Urlaub zu Hause, und die Eltern konnten es kaum erwarten, mir von deinen Plänen zu berichten.« Er hob eine Augenbraue und zwirbelte seinen Schnurrbart. »Du bist ein unbeschriebenes Blatt, Ezra.«
»Wenn du gekommen bist, um dich über mich lustig zu machen, solltest du jetzt lieber gehen«, sagte Ezra ruhig. Die Freude, seinen Bruder wiederzusehen, ebbte bereits ab.
Eine fleischige Hand schlug ihm auf die Schulter, als Gilbert schallend lachte. »Die Eltern haben mir schlichtweg verboten, zu kommen, und James’ schrecklich feine Frau fiel fast in Ohnmacht, als ich allen erzählte, ich wolle dir als Trauzeuge beistehen.« Augenzwinkernd lächelte er Ezra an. »Aber du kennst mich ja, Alter. Auf geistlose Frauen habe ich noch nie gehört.« Er hielt inne und wurde ernst. »Ich bin dir vielleicht kein guter Bruder gewesen, kleiner Ezra, aber das wird sich von nun an ändern. Du hattest es mit den Eltern weiß Gott nicht leicht, und es ist an der Zeit, dass wir jüngeren Geschwister zusammenhalten.«
Ezra ging das Herz über. Er umarmte seinen Bruder und dankte Gott im
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