Träume jenseits des Meeres: Roman
Möglichkeit, dass John auf sie wartete.
Lächelnd betrat sie die ebenholzschwarze Finsternis des Wäldchens. John Pardoe war der Gärtnerlehrling auf dem Anwesen, und sie hatten sich vor sechs Monaten im Küchengarten kennengelernt. Er war groß, hatte breite Schultern und dichtes, dunkles Haar, das ihm ohne Mütze immer über die Augen fiel. Wenn er lachte, musste sie kichern und wurde rot, denn seine zwinkernden Augen sprachen Bände, wenn er ihr einen Arm um die Taille legte und einen Kuss von ihren Lippen stahl.
Millicent errötete in der Dunkelheit, als sie sich daran erinnerte, wie angenehm es sich angefühlt hatte, seinen Mund auf ihren Lippen zu spüren, seine starken Arme, mit denen er sie näher zu sich heranzog, so dass die ganze Welt ausgesperrt wurde. Bei ihm fühlte sie sich sicher.
Ihre Träumerei wurde von einem knackenden Zweig und unverkennbar schweren Schritten im Unterholz durchbrochen. Ihr Herz schlug schneller, und sie schaute sich neugierig um. »John?«, rief sie leise. »Bist du das?«
Jonathan kam mit langen Schritten zur Haustür herein und warf den schweren Mantel ab. Er hängte ihn über einen Stuhl, zog die Handschuhe aus und blickte sich in der Diele um. Wo war die Magd? Er brauchte Hilfe, um diese verdammten Stiefel loszuwerden. Da sie nicht auftauchte, nahm er seine Post vom Tisch und stapfte in die Bibliothek.
Im Kamin loderte ein Feuer, und der Raum war in Sonnenlicht getaucht. Zufrieden seufzend sank er in den Sessel und streckte die Beine aus. Die Stille ohne Emilys Nörgelei war Gold wert, und der Marsch um das Anwesen mit dem Jäger hatte ihm einen klaren Kopf beschert. Leicht strich er sich mit den Fingern über die Schläfen und verzog das Gesicht. Er hatte keine klare Vorstellung mehr vom Abend zuvor, nur ziemlich wirre Erinnerungen an Dunkelheit, huschende Schatten und die vage Vorstellung von einer Frauenstimme, die nach ihm rief – dann nichts mehr.
Er zuckte mit den Schultern und erhob sich, um an der Klingelschnur zu ziehen. Er hatte noch nicht gefrühstückt und nach dem Rundgang einen Bärenhunger. Während er auf die Magd wartete, stand er vor dem Feuer, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und röstete seine Rückseite. Es war immer wieder gut, nach Cornwall zu kommen, und an einem Tag wie diesem wusste er die reine Luft und das funkelnde Meer seiner Heimat besonders zu schätzen. London war eine Jauchegrube aus Elendsvierteln und überlaufenden Kloaken, aus lärmenden Straßen und dem Rattern von Kutschenrädern. Selbst im Herzen der Stadt konnte man den Bettlern und Huren oder dem dampfenden Pferdemist nicht ausweichen. An dieser fernen Westküste aber konnte ein Mann durchatmen, denn obwohl es auch hier Armut und Elend gab, stank es nicht so wie in der Stadt.
Seine angenehmen Gedanken wurden unterbrochen, als es an der Tür zur Bibliothek klopfte. »Herein«, rief er quer durch den großen Raum.
Die kleine Magd huschte herein und machte einen Knicks.
»Du bist Millicent, nicht wahr?«, fragte er freundlich. Sie war neu im Haushalt.
»Sir«, nickte sie, den Blick gesenkt.
Jonathan trug ihr auf, ihm den Lunch zu bringen, und sie huschte wieder zur Tür hinaus. Er grinste belustigt. Sie war wie ein ängstliches Mäuschen, das hin und her sprang. Was glaubte sie denn, was er mit ihr anstellen würde?
Sobald die Tür hinter ihr geschlossen war, hatte er sie auch schon vergessen und widmete sich seiner Post. Zwei Briefe waren darunter, die er später lesen würde, und ein Packen Gerichtsakten, denen er sich am Nachmittag widmen musste. Er warf alles beiseite und wartete auf seine Mahlzeit.
Kurz darauf trug die Köchin ein schweres Silbertablett herein. Nach dem langen Treppenaufstieg von der Küche herauf schnaufte sie, als wäre sie dem Tod nahe. Jonathan war überrascht, sie zu sehen, und ein wenig beunruhigt über ihr hochrotes Gesicht. »Sie sollten das nicht machen«, sagte er. »Wo ist Millicent?«
Die Köchin stellte das Tablett vorsichtig auf den Tisch und tupfte sich das Gesicht mit einer Ecke ihrer makellosen Schürze ab, die wie ein gesteiftes Segel über dem ausladenden Busen knackte. »Sie ist indisponiert, Sir.«
Jonathan wollte einwenden, dass sie gerade eben noch ziemlich munter war, entschied dann aber, dass es ihn nichts anging. Die Gedankengänge der Dienerschaft waren ihm fremd. Er verdrängte jeden Gedanken an häusliche Dramen, die sich unten womöglich abspielten, und ließ sich die Wildpastete und das gebackene Gemüse
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