Träume jenseits des Meeres: Roman
mit Cowdry folgte.
Zu gern hätte Billy mitbekommen, was gesagt wurde, doch er konnte es sich gut vorstellen. Jemand stieß ihn in die Rippen, und er schaute auf Nell hinunter, die ihn mit breitem Grinsen anschaute.
»Wer hätte das gedacht? Du, mit einem Fatzke verwandt?« Sie zwinkerte ihm zu. »Das hast du gut gemacht«, flüsterte sie. »Hast dem Mistkerl gezeigt, dass wir uns nicht alles gefallen lassen.« Sie biss sich auf die Unterlippe und beäugte ihn ernst. »Aus uns beiden wird noch was, Schatz«, sagte sie leise.
Billy lächelte sie an und legte einen Arm um Bess, die sich noch immer an ihr Kind klammerte, als hinge ihr Leben davon ab. »Schätze, ich hab im Moment genug um die Ohren«, sagte er leichthin.
Sie sah ihn unverwandt an. »Ich kann warten.«
Billy wollte ihr schon etwas entgegnen, als der Marineoffizier wieder auf ihn zukam.
»Sie kann es behalten, bis wir nach Portsmouth kommen«, sagte er und bedachte Bess und ihr schreiendes Kind mit einem herablassenden Blick. »Was Sie betrifft, Penhalligan, Sie werden heute nicht an Bord der Charlotte gehen, sondern in Fußfesseln nach Portsmouth laufen. Bis dahin sollten Sie gelernt haben, Höhergestellte zu respektieren.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.
Billy sah zu, wie Bess in die Ruderboote gebracht wurde, und verfluchte im Stillen seinen Gerechtigkeitssinn. Die beiden Schiffe Charlotte und Friendship lagen nur wenige Minuten entfernt in dem großen Hafen vor Anker, doch die Eisenfesseln lagen schon jetzt schwer um seine Fußgelenke und die Kette dazwischen schleifte über das Deck, wenn er sich bewegte. Auf dem langen Weg nach Portsmouth würden sie noch schwerer werden.
Mousehole, März 1787
Ann war schockiert gewesen, als Susan sich ihr anvertraute, hatte sich aber als echte Freundin erwiesen. Sie hatte weder verurteilt noch bevormundet, sondern Susan schlicht die liebevolle Freundschaft entgegengebracht, nach der sie sich sehnte.
Susans Besuch in Bath hatte sich auf mehrere Monate ausgedehnt, bis sie endlich den Mut fand, nach Hause zurückzukehren. Sie ging wie ein Gespenst durch das Haus, aß kaum etwas und fand keinen Schlaf, während die Reue immer tiefer in ihr Herz sank. Den Kindern zuliebe bemühte sie sich um eine fröhliche Haltung, die jedoch jedes Mal ins Schwanken geriet, wenn sie die Pein in Ezras Augen sah.
Seine Versöhnlichkeit war am schwersten hinzunehmen, denn sie wusste, er hatte es ernst gemeint; trotzdem erlaubte ihm sein christlicher Glaube nicht, zu vergessen, und er war auf Dauer in sein Arbeitszimmer umgezogen. An der Traurigkeit und Enttäuschung, die er in seiner Haltung zum Ausdruck brachte, zerbrach sie beinahe, denn die letzten Monate hatten ihr gezeigt, wie sehr sie ihn liebte – und hatten ihr bewiesen, dass ihre Ehe jedes Opfer wert war; sie bedeutete ihr viel mehr, als sie sich je hätte vorstellen können.
Das Leben, so leidvoll es auch war, musste indes weitergehen. Es war ein kostbares Geschenk, das nicht mit Reue und dunklen Erinnerungen vergeudet werden durfte, und obwohl sie sich innen wie ausgehöhlt fühlte, klammerte sie sich an die Hoffnung, dass Ezra eines Tages seinen Schmerz beiseiteschieben und seine Liebe für sie wiederentdecken würde. Das gerade angebrochene Jahr 1787 sollte eine Zeit unerwarteter Abschiede, aber auch der Trennungen und Neuanfänge werden.
Als die Märzwinde aus dem Norden wehten und Schnee ankündigten, stand Susan in ihren Pelzkragen gekuschelt am Kai in Southampton und sah mit tränenverschleierten Augen, wie Emma an Deck des großen Segelschiffes auftauchte und sich neben ihren Mann an die Reling stellte. Algernon war zum Hauptmann befördert worden und sollte seine neue Stellung in Kapstadt antreten.
Sie hatten sich Ende Februar verlobt, aber nicht viel Zeit gehabt, dieses Ereignis zu feiern, denn Emma war fest entschlossen, nicht mit ihnen nach Australien zu gehen. Die Hochzeit war in unziemlicher Eile festgesetzt worden, um sie mit Algernons Abreise in Einklang zu bringen. Nun standen sie alle hier und winkten dem jungen Paar zum Abschied in ihr neues Leben in Afrika zu. Susan konnte diese Qual kaum ertragen, denn es war zweifelhaft, ob sie ihre Tochter je wiedersehen würde.
»Es kommt mir so vor, als hätten wir gestern erst ihren ersten Geburtstag gefeiert«, sagte Ezra, schnäuzte sich die Nase und wischte sich über die Augen.
Susan fiel es schwer zu denken und erst recht zu reden, als sie zu ihrer reizvollen Tochter hinaufschaute.
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