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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Mit knapp sechzehn Jahren war sie noch zu jung, um so weit von zu Hause und der Familie wegzugehen, doch Emma teilte ihre Ängste offenbar nicht. Sie lächelte glücklich, die Federn auf ihrem Hut tanzten im Wind, als sie zurückwinkte. Die blaue Wolljacke und der Rock standen ihr gut, dachte Susan zerstreut, doch der Pelzumhang, den sie von ihrer Schwiegermutter geschenkt bekommen hatte, wirkte für ein so junges Mädchen viel zu distinguiert.
    Ezra fiel anscheinend auf, wie sehr sie litt, und er löste sich von Florence, die sich an seinen Arm klammerte. Er streckte eine Hand aus und tätschelte Susans Schulter. »Sie ist bei ihm gut aufgehoben«, sagte er leise. »Es ist ja nicht für immer. Soldaten werden oft versetzt.«
    »Ich glaube kaum, dass Algernon einen Posten in Australien bekommt«, erwiderte sie verbittert.
    Seine Antwort ging im Läuten der Glocken und in den Rufen der Matrosen unter, die in die Masten ausschwärmten und die Segel losmachten. Seile wurden von den Gangspills am Anleger gelöst, der Anker gelichtet, und die kleinen Boote pullten das große Schiff bereits vom Kai.
    George hüpfte auf und ab und schwenkte begeistert seinen Hut, als das Schiff langsam und majestätisch ins offene Meer glitt. Er drehte sich zu Susan um, seine Augen strahlten vor Aufregung, und er zog sie am Arm. »Wird unser Schiff auch so groß sein?«, fragte er. »Werden wir auch so viele Segel haben?«
    Sie zog ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn. Mit seinen zwölf Jahren schoss er ins Kraut und wäre bald größer als sie, doch sie genoss diesen flüchtigen Augenblick mütterlicher Vertrautheit. »Ich denke schon«, murmelte sie.
    Er löste sich und rannte am Kai entlang. Sie sah ihm nach und erblickte Ernest, der ganz am Ende der Hafenmauer stand. Groß und breitschultrig winkte er einen letzten Abschiedsgruß.
    Susan spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte, als sie sah, wie Florence und George sich zu ihm gesellten. Auch sie würden eines Tages gehen. Die Einsamkeit überwältigte sie beinahe, und sie hatte das Gefühl, als drohte die Leere, in der sie die vergangenen Monate verbracht hatte, sie zu verschlingen. Sie wandte sich Ezra zu, denn sie brauchte den Trost seiner Arme und die Rückkehr der Liebe und des Vertrauens, die sie früher als selbstverständlich hingenommen hatte.
    Doch es sollte keine Umarmung geben. Ezra hatte sich entfernt und wandelte als einsame Gestalt am Kai entlang zu den Kindern. Seine Unfähigkeit, ihre Untreue zu vergessen, hatte sie voneinander entfernt, und er traute sich nicht zu, an ihrer Seite zu bleiben.
    Portsmouth, Sonntag, 13. Mai 1787
    Zu fünft waren sie aneinandergekettet, und bei jedem Schritt, den er tat, war Billys Hass größer geworden. Doch es machte ihn stark und sogar noch entschlossener, alles zu überleben, was ihm bevorstand. Als sie schließlich in Portsmouth ankamen, stand er vor demselben Marineoffizier stramm und schaute ihn unverwandt an, während man ihm die Ketten von den schwärenden Fußgelenken löste.
    Der Offizier wich seinem Blick aus, wartete, bis die Fesseln abgelegt waren, und wandte sich dann an den Wärter, der die Männer auf ihrem langen, quälenden Weg begleitet hatte. »Stecken Sie sie in die Charlotte !«, befahl er. »Und beeilen Sie sich, sonst verpassen wir noch die Flut.«
    »Was ist mit Bess’ Kind?«, wollte Billy wissen.
    »Die sind beide auf der Lady Penrhyn .«
    Billy war begeistert, etwas erreicht zu haben, und sah dem Mann hinterher. Offenbar hatte Gilbert ein Machtwort gesprochen. Dem Feldmarschall konnte man trauen, dachte er. Vielleicht hatte er nun wirklich die Chance, etwas wiedergutzumachen, neu anzufangen und seine Missetaten der Vergangenheit auszulöschen.
    Seine Gedanken wurden von einem groben Stoß in den Rücken unterbrochen, den ihm der Wärter versetzte. Mit wachsender Furcht ging er langsam auf die Charlotte zu, nahm aber mit Scharfblick einen außergewöhnlichen Eindruck in sich auf.
    Der Hafen von Portsmouth war voller Schiffe, doch die Stadt hatte die Fensterläden verschlossen und war menschenleer. Nicht einmal ein Hund streunte über das Pflaster. Es hatte den Anschein, als gefiele den Ladenbesitzern und Bürgern von Portsmouth der Zustrom so vieler Sträflinge und ihrer Wärter nicht. Das Gesicht zu einer Grimasse verzogen, ging er an Bord des Schiffes, das ihn weit von zu Hause und von seiner Familie entfernen und in eine ungewisse Zukunft bringen würde. Den Bewohnern entging ein großartiger

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