Träume jenseits des Meeres: Roman
Bess’ Kind herrschte Schweigen an Deck, als der Marineoffizier an den Reihen auf und ab ging.
Schließlich blieb er breitbeinig in der Mitte des Decks stehen, die Hand leicht auf den verzierten Schwertgriff gelegt. »Die Gefangenen zur Linken werden in den Kerker von Exeter verlegt. Die zur Rechten werden in die Strafkolonie New South Wales deportiert.«
Diese Nachricht wurde mit einem Aufschrei des Protests entgegengenommen, und als die Soldaten und Wärter den Ring enger schlossen, flogen die ersten Fäuste. Billy brachte Bess in Sicherheit. Nell brauchte diesen Schutz nicht, wie es aussah, sie war mittendrin dabei, trat mit den Füßen und schlug wild um sich, als genieße sie die Möglichkeit, es den Wärtern heimzuzahlen, die sie missbraucht hatten.
Schließlich war die Ordnung wiederhergestellt, und der Marineoffizier beförderte die älteren und zerbrechlicheren Sträflinge in die wartenden Boote. Bess schrie auf, als man Stanley abführte. Sie wehrte und wand sich, trat dem Soldaten vor die Schienbeine, der sie festhielt, während sie den Offizier bat, sie nicht zu trennen. Sie war nicht die Einzige, denn andere Frauen befanden sich in derselben Situation, und ihre Schreie und Bitten klangen herzzerreißend.
»Mach dir um mich keine Sorgen, Bess!«, rief Stanley über das Stimmengewirr hinweg. »Pass auf dich und das Kind auf!« Er schaute über die Schulter zurück, als er sich der Gangway näherte, und sein Blick richtete sich flehend auf Billy.
Billy nahm Bess zögernd in den Arm und nickte. Er würde sein Bestes tun und sich um sie und das Kind kümmern, bis sie Fuß gefasst hätte. Das war er Stan schuldig.
Die kleinen Boote entfernten sich, die armseligen Passagiere ließen niedergeschlagen den Kopf hängen. Niemand warf einen Blick zurück, niemand redete, denn sie wussten, was sie im Kerker von Exeter erwartete.
Stille legte sich über die Gefangenen an Deck, und Billy hielt Bess fest im Arm, die sich an ihn und ihr Kind klammerte. Sie hatte nicht viel, und sie würde es schwer haben mit dem Kind.
»Verdammt«, flüsterte Nell. »Wohin wollen sie uns jetzt bringen?«
»Auf die andere Seite der Erde«, raunte er ihr zu. »Aber das wirst du überleben.«
Sie warf die Haare zurück und streckte die Brust vor. »Und ob«, sagte sie finster. »Ich lass mich doch von den Ärschen nicht unterkriegen.«
Der Marineoffizier hatte seine Runde wieder aufgenommen, schritt auf und ab, blieb kurz stehen, um einen Gefangenen zu beäugen, und ging dann weiter. Er kam zu Bess, musterte sie ausgiebig und wandte sich an den Matrosen, der neben ihm stand. »Nehmen Sie das Kind und lassen Sie es in einem Waisenhaus unterbringen.«
»Nein«, schrie Bess und umklammerte das Kind so fest, dass es wieder zu schreien begann. »Sie haben nicht das Recht, mir mein Kind wegzunehmen.«
»Ich habe jedes Recht«, erwiderte er kalt. »Das Kind ist zu jung, um ein Verbrecher zu sein, und ich habe keine Vollmacht, es an Bord eines Sträflingsschiffes mitzunehmen.« Er bedeutete dem Matrosen, den Befehl auszuführen.
Billy trat zwischen den Matrosen und Bess. »Das Kind ist noch nicht entwöhnt«, sagte er mit Nachdruck. »Bess hat schon ihren Mann verloren, und wenn Sie ihr dieses Kind nehmen, werden Sie für seinen Tod verantwortlich sein.«
»Name?«, bellte der Marineoffizier.
»Penhalligan, Sir.« Billy stand hoch aufgerichtet da, überzeugt, für eine gerechte Sache einzutreten.
»Was wissen Sie von Strafgesetzen, die sich auf Sträflingsschiffe beziehen, Penhalligan?«
»Nichts, Sir. Ich weiß nur, dass es moralisch nicht vertretbar ist, ein Kleinkind von der Mutterbrust zu zerren, wenn man zugleich die Eltern trennt, Sir.« Er hatte den Blick starr auf einen Punkt hinter der Schulter des Mannes gerichtet.
Der Offizier lachte barsch und zynisch. »Sie wagen es, mir mit Moral zu kommen, obwohl Sie nach Ihren Missetaten geradezu stinken?« Er rümpfte die Nase und wandte sich an den Matrosen. »Legen Sie den Mann in Ketten. Er ist ein Unruhestifter.«
»Ich bin sicher, Feldmarschall Collinson wäre mit mir einer Meinung, Sir«, sagte Billy leise, als man ihm unsanft die Fußfesseln anlegte.
Dem Offizier traten die Augen aus dem Kopf, und sein Gesicht lief rot an. »Warum sollte der Feldmarschall etwas darum geben, was Sie denken?«
Billy ließ sich seinen Triumph nicht anmerken. »Weil er ein angeheirateter Verwandter ist, Sir.«
Der Offizier entfernte sich mit langen Schritten, und eine hitzige Diskussion
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