Traeume Suess, Mein Maedchen
sauer auf mich?«, fragte sie ihn geradeheraus, als sie die Spannung nicht mehr aushielt.
Zum ersten Mal, seit sie Platz genommen hatten, hob Brad den Blick von der Tischplatte. »Warum sollte ich denn sauer auf dich sein?«
»Ich weiß nicht, aber du wirkst irgendwie so distanziert.«
»Distanziert?«
»Du schmollst hier seit einer Stunde rum«, sagte sie, entschlossen, den Stier bei den Hörnern zu packen.
»Ich schmolle nicht.« Eilig legte er die blauen Stecker auf den Tisch.
»Doch. Du solltest mal deine Oberlippe sehen«, sagte sie mit einem Lächeln, von dem sie hoffte, er würde es erwidern.
Das tat er nicht. »Das bildest du dir ein, Jamie.«
»Das glaube ich nicht. Seit ich gesagt habe, dass ich nicht in Atlanta übernachten will, hast du kaum zwei Worte mit mir geredet. Bist du deswegen sauer auf mich?«
Brad zuckte mit den Schultern und starrte wieder auf den Tisch. »Jetzt mach aus der Mücke keinen Elefanten. Ich dachte bloß, es wäre schön, dort Halt zu machen. Du hast doch selbst gesagt, wir hätten es nicht eilig.«
»Ich mag Atlanta wirklich nicht«, wandte Jamie ein.
»Okay.«
»Okay?«
»Das verstehe ich.«
»Wirklich?«
»Nun ja, eigentlich nicht«, gab er zu und wedelte frustriert mit den Händen, wodurch er die bunten Stecker vom Tisch auf den Fußboden fegte. »Ich meine, wo liegt das Problem? Hast du Angst, deinem Exmann zu begegnen?«
»Das ist es nicht.«
»Was ist es dann?«
Jamie beobachtete, wie einer der gelben Stecker über den Boden kullerte und unter dem schweren schwarzen Schuh eines in der Nähe sitzenden Gastes ausrollte. »Ich weiß nicht.«
»Was ist los, Jamie? Bist du noch immer nicht über den Typen weg?«
»Was? Soll das ein Witz sein? Natürlich bin ich über ihn hinweg.«
»Dann verstehe ich es nicht.«
»Ich habe bloß keine besonders angenehmen Erinnerungen an Atlanta.«
»Dann schaffen wir neue Erinnerungen.«
»Hör mal, wenn wir noch vierzig Minuten weiterfahren, kommen wir nach Adairsville. Ein Stück außerhalb von Adairsville gibt es einen kleinen Ort namens Barnsley Gardens, der der romantischste Fleck in Georgia sein soll, alles ganz Vom Winde verweht -mäßig mit Ruinen, in denen es angeblich spukt, Wassergärten und Blumenfeldern. Außerdem gibt es dort ein Fünfsternehotel bestehend aus lauter kleinen Häusern aus dem 19. Jahrhundert. Dort könnten wir übernachten. Es sei denn, du denkst, es ist zu teuer, dann könnten wir auch woanders …«
»Jamie«, unterbrach Brad sie. »Ich bin müde. Ich glaube nicht, dass ich noch vierzig Minuten fahren kann.«
»Dann fahre ich«, bot sie fröhlich an.
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte mich einfach ausruhen. Es war ein anstrengender Tag.«
Wirklich? Jamie spulte die Ereignisse des Tages vor ihrem inneren Auge ab. Sie hatten einen wunderbaren Vormittag in Tifton verbracht, wo sie sämtliche Kirchen und Läden in der Innenstadt besucht und ein leichtes, entspanntes Mittagessen in einem Café genossen hatten, bevor sie gegen drei den Wagen abgeholt hatten, dessen kaputter Reifen durch einen brandneuen ersetzt worden war, den Brad unbedingt mit
seiner Kreditkarte bezahlen wollte. Dann waren sie weiter auf der Interstate 75 Richtung Norden gefahren, hatten eine Stunde in Macon Pause gemacht, weil ein Hinweisschild für die Georgia Music Hall of Fame sie neugierig gemacht hatte. Dort hatte Brad ihnen passende blaue T-Shirts gekauft, bevor sie ihre Fahrt fortgesetzt hatten. Alles war perfekt gewesen, bis er vorgeschlagen hatte, in Atlanta zu übernachten.
»Wahrscheinlich haben mich die Strapazen von gestern Abend doch noch eingeholt«, sagte Brad jetzt. »Aber eine gute halbe Stunde halte ich bestimmt noch durch, wenn du das willst.«
»Du fühlst dich nicht wohl?«
»Ach, das gibt sich schon wieder.«
»Vielleicht solltest du was essen.«
»Ich muss mich einfach ein bisschen hinlegen.«
»Na, dann fahre ich, und du hältst ein Nickerchen«, schlug Jamie vor.
»Ich fahre«, beharrte Brad und machte der Kellnerin ein Zeichen. »Es wird schon dunkel, und um Atlanta herrscht manchmal ziemlich dichter Verkehr. Das ist zu gefährlich. Ich will nicht, dass dir was passiert.«
Jamie legte ihre Hand auf seine. Was war mit ihr los, dachte sie. Sah sie nicht, dass der Mann völlig erschöpft war? Warum benahm sie sich so egoistisch? Und hatte er vielleicht sogar Recht? Hatte sie Angst, ihrem Exmann oder schlimmer noch seiner Mutter zu begegnen? Und wenn schon. Sie konnte einen sexy neuen
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