Traeume Suess, Mein Maedchen
imposante Häuser«, bemerkte Brad. »Apropos Vom Winde verweht.«
Jamie betrachtete die Parade palastartiger Villen auf ihren parkähnlichen Grundstücken, beinahe verborgen hinter hohen, schmiedeeisernen Toren. »Im Dunkeln sieht man die gar nicht richtig. Wir sollten lieber bis morgen warten.«
»Nö, so reicht doch. Und du hast wirklich in einem dieser Paläste gewohnt?«
»Nein, ich habe in einem kleinen Haus etwa fünf Blocks weiter gewohnt. Man kommt dorthin, wenn man an der nächsten Ampel rechts abbiegst.«
»Wo ist das Haus deiner Schwiegermutter?«, fragte Brad und fuhr weiter geradeaus, ohne ihre Anweisung zu beachten.
Jamie spürte, wie sich jeder Muskel ihres Körpers anspannte.
»Hast du nicht gesagt, dass du in Butthead gelebt hast?«
Jamie nickte. »Gut eineinhalb Kilometer von hier.«
»Zeig es mir.«
»Brad …«
»Ich versuche bloß, mein Mädchen besser kennen zu lernen. Komm schon. Dann suchen wir uns ein Motel und machen es uns gemütlich.«
Mein Mädchen, wiederholte Jamie stumm und genoss den Klang der Worte. Sie nickte und dirigierte ihn über die hügeligen, gewundenen Straßen, aus denen der Nobelvorort Buckhead bestand. Ihr kam der Gedanke, dass sie auf ein beliebiges Haus zeigen und sagen könnte: Hier ist es, hier habe ich die wahrscheinlich schlimmste Zeit meines Lebens verbracht. Aber sie spürte, dass er eine Lüge durchschauen würde, und wozu sollte sie lügen? Wenige Minuten später waren sie auf der Magnolia Lane, die Häuser wurden kleiner und weniger majestätisch, je weiter sie sich vom Peachtree
Drive entfernten, obwohl sie immer noch mehr als gutbürgerlich waren. Die eigentliche Ironie der Geschichte war, dass Mark nach ihrer Scheidung nicht zurück zu seiner Mutter gezogen war, sondern sich eine eigene Wohnung gesucht hatte. »Da ist es. Nummer zweiundneunzig. Das vorletzte Haus auf der rechten Seite.«
Brad hielt vor dem weißen Holzhaus, und die Scheinwerfer des Wagens erfassten das große ZU-VERKAUFEN-Schild im Vorgarten. Zwei stattliche Betonsäulen rahmten die schwarze Haustür. Sämtliche Vorhänge waren zugezogen. Im Erdgeschoss war alles dunkel, aber in einem Zimmer im ersten Stock brannte noch Licht. In Mrs. Dennisons Zimmer, erkannte Jamie schaudernd. »Dann hat die alte Hexe also endlich eingewilligt zu verkaufen.«
»Was meinst du?«, fragte Brad. »Sollten wir klingeln und ihr ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann?«
Plötzlich teilten sich die Vorhänge im ersten Stock, und an einem Fenster erschien eine einsame Gestalt, deren vergrößerte Silhouette auf die dunkle Straße starrte. »Lass uns hier verschwinden«, flüsterte Jamie. »Bitte, Brad«, drängte sie, als er sich nicht rührte. »Bevor sie den Wagen erkennt.«
»Das geht nun wirklich nicht«, stimmte Brad ihr zu, wendete den Wagen und raste die verlassene Straße hinunter.
15
»Jamie. Hey, Jamie, wach auf.«
»Hmmm?« Jamie drehte sich auf den Rücken, hielt die Augen jedoch störrisch geschlossen. »Was?«
»Wach auf, Jamie.«
Sie schreckte so unvermittelt im Bett hoch, als hätte ihr jemand ein Glas kaltes Wasser ins Gesicht gekippt. Ihr Herz raste wie wild, und ein Wortschwall ergoss sich aus ihrem Mund. »Was ist passiert? Was ist los? Stimmt irgendwas nicht?« Hatten die Jungen aus Tifton sie gefunden und waren in ihr Zimmer eingedrungen?
Brad lachte leise und strich beruhigend mit der Hand über ihre nackten Schultern. »Hey, hey. Alles okay. Ganz locker. Ich wollte dir keinen Schrecken einjagen.«
Jamie bemühte sich, ihren Blick auf das billige Motelzimmer zu konzentrieren, doch es war dunkel, und der Raum hörte nicht auf, sich zu drehen. Es war immer noch Nacht. So viel war klar, weil sie durch einen Spalt zwischen den schweren Vorhängen den Mond sehen konnte und die neonroten Ziffern der Digitaluhr auf dem Nachttisch bestätigten, dass es 03.02 Uhr war. Tiefste Nacht, Herrgott noch mal. Sie bedeckte ihren Körper mit dem dünnen weißen Laken und wartete, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und Brad erklärte, was los war. Aber er sagte nichts. Er saß bloß mit einem dämlichen Grinsen auf seinem attraktiven Gesicht da und starrte sie an. »Brad, was ist los? Ist irgendwas passiert?«
»Nichts ist passiert.«
»Was ist denn dann?«
»Gar nichts ist.«
»Das verstehe ich nicht. Warum hast du mich dann geweckt?« Es sei denn, sie hatte nur geträumt, dass er laut ihren Namen gerufen hatte, während in Wahrheit sie ein
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