Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
für den sie ihn gehalten hatte. Computerexperten, Softwareentwickler und wohlhabende Geschäftsleute brachen nicht mitten in der Nacht in fremde Häuser ein. Sie wussten nicht, wie man eine Tür mit einer Kreditkarte öffnete und hatten auch keine Schnappmesser oder ein Paar Gummihandschuhe in der Tasche. Wer bist du?, fragte sie sich, während sie beobachtete, wie Brad den Flur hinunter bis zu Mrs. Dennisons geschlossener Schlafzimmertür schlich. Wer zum Teufel bist du?
    »Kommst du?«, fragte er, die Hand auf der Klinke.
    Jamie rührte sich nicht.
    Brad drückte die Klinke herunter, öffnete die Schlafzimmertür und streckte die Hand aus.
    Jamie atmete tief ein, zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und folgte ihm ins Zimmer.
    Sofort stieg ihr der Duft von Laura Dennisons Parfüm in die Nase. Der schreckliche, erdrückende Geruch von zu vielen Gardenien drängte in ihren Hals wie ein Finger, und sie schnappte nach Luft, um nicht zu würgen.
    »Psst«, ermahnte Brad sie, schlich auf Zehenspitzen zu dem großen Bett mit einem von vier Pfosten getragenen Himmel aus Spitze und betrachtete die darin liegende Frau.
    Mrs. Dennison schlief auf dem Rücken, den Kopf nach links gedreht, das Gesicht hinter einer großen schwarzen Maske verborgen, die ihre Augen und den größten Teil ihrer Stirn bedeckte. Ihre rotbraunen Haare waren länger, als Jamie sie in Erinnerung hatte, der weiße Haaransatz selbst im Dunkeln erkennbar. Jamie musterte ihre ehemalige Widersacherin und empfand nur Abscheu und Ekel. Wäre es so schwer gewesen, nett zu mir zu sein, fragte sie die schlafende
Frau stumm. Musstest du denn so gemein zu mir sein und mir das Leben zur Hölle zu machen?
    »Hässliche alte Schachtel, was?«, fragte Brad höhnisch.
    Als sie seine Stimme hörte, riss Jamie entsetzt die Augen auf und legte einen Finger auf die Lippen.
    »Es ist okay«, sagte er unbekümmert und zeigte mit einem behandschuhten Finger auf Laura Dennisons Gesicht. »Siehst du? Sie trägt Ohrstöpsel.«
    »Was?«
    »Guck selber.«
    Brad hatte Recht. In jedem Ohr steckte ein kleiner Schwamm. Kein Wunder, dass die Frau tief und fest schlief. Mit der Maske und den Stöpseln bekam sie buchstäblich nichts mit von der Welt. Wie ich sie verachte, dachte Jamie, selbst überwältigt von der überraschenden Heftigkeit ihrer Gefühle.
    »Glaubst du, sie schläft nackt?« Brad zupfte bereits an der Bettdecke am Hals der Frau.
    »Nicht, Brad.«
    »Ich will nur mal kurz linsen.«
    »Bitte. Hinterher wacht sie noch auf.«
    Das tat sie nicht, obwohl sie sich leicht rührte und die rechte Schulter hochzog, als Brad die schwere Daunendecke bis zur Brust herunterzog. »Typisch«, sagte er und grinste, als er das langärmelige blaue Nachthemd sah, das Laura Dennison trug. »Vermutlich sollten wir dankbar sein.« Er gluckste.
    Zu ihrem Entsetzen kicherte Jamie mit. Du abscheuliche alte Hexe, dachte sie, als ihr fast zwei Jahre Demütigungen und Kränkungen wieder hochkamen - den Abend, an dem ihre Schwiegermutter sich geweigert hatte, mehr als zwei Bissen von dem Essen zu kosten, das Jamie mühevoll zubereitet hatte, um am nächsten Morgen zu verkünden, nach dem Happen sei ihr heftig übel geworden; oder der Tag, an dem sie demonstrativ »vergessen« hatte, Jamie einigen alten Freundinnen
vorzustellen, die sie getroffen hatten, als Jamie sie zum Essen eingeladen hatte; die Art, wie sie immer knapp an ihr vorbeiguckte, wenn sie mit ihr zu sprechen geruhte; ihr herablassender Ton, die subtilen Tadel und die gnadenlose Unterminierung von Jamies Position in der Familie; der permanente Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und Zuneigung ihres Sohnes; die eskalierende Feindseligkeit; alles, was schließlich in jenem schrecklichen letzten Abend kulminiert war.
    Jamie schüttelte unwillkürlich den Kopf, um die Erinnerungen abzuwehren, doch die Akteure hatten bereits ihre Position eingenommen, und vor ihrem inneren Auge nahm die Szene ihren Lauf: In einem weiteren unbesonnenen Versuch, ihre Ehe zu retten, hatte Jamie Freunde von Mark - Bob und Sharon Lasky, Pam und Ron Hutchinson - zum Essen eingeladen. Mark kam natürlich zu spät, weil er vorher noch bei seiner Mutter vorbeigeschaut hatte. »Ich komme mit Geschenken«, verkündete er den Gästen, als er eine halbe Stunde nach ihrer Ankunft nonchalant hereinschlenderte. »Ich habe den berühmten Zitronen-Meringe-Kuchen meiner Mutter dabei.«
    »Zufällig mein absoluter Lieblingskuchen«, sagte Bob.
    Jamie lächelte und

Weitere Kostenlose Bücher