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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Frau gewesen sein, die Jamie am
früheren Abend an ihrem Schlafzimmerfenster hatte stehen sehen? Nein. Mrs. Dennison war sehr wohl daheim. Jamie konnte ihre Anwesenheit in dem ätherartigen Mief förmlich spüren. Das Gift stieg ihr in die Nase und drang in ihre Lunge, bis jeder Atemzug nicht nur schmerzhaft, sondern richtiggehend gefährlich wurde. Brad zog sanft an ihrer Hand und drängte sie weiter, während ihr ganzer Körper zur offenen Haustür strebte. »Brad«, setzte Jamie an, als er sie unvermittelt stehen ließ und die drei mit Teppich ausgelegten Stufen zum Wohnbereich hinaufsprang. Furchtlos, dachte sie und rannte im nächsten Augenblick hinterher.
    Selbst im Dunkeln konnte Jamie die Umrisse jedes Möbelstücks in dem großen Wohnzimmer deutlich erkennen. Vor dem großen Fenster zur Straße stand eingerahmt von passenden Vorhängen das rosa-weiße Chintzsofa, zu beiden Seiten jeweils ein grün-weiß gestreifter Sessel, gruppiert um einen Couchtisch aus hellem Kiefernholz. Der größte Teil der gegenüberliegenden Wand wurde von einem großen Kamin eingenommen, vor dem zwei bestickte, dunkelgrüne Queen-Anne-Stühle standen. In einer Ecke drängte sich ein schwarzer Stutzflügel, auf dem Jamies Wissen nach nie jemand gespielt hatte. Genauso wenig, wie irgendjemand je das prachtvolle, aus Italien importierte Schachspiel aus Elfenbein benutzt hatte, das auf dem Couchtisch stand, oder die beiden Kerzenständer aus Messing, die neben einer leeren, rosa gestreiften Obstschale aus Glas und diversen gerahmten Fotos von Mutter und Sohn auf dem Kaminsims standen. Die Wände waren ebenso weiß wie der dicke Florteppich. Als einzige Kunstwerke hingen zwei blasse Landschaftsbilder links und rechts neben dem Kamin. Überall im Zimmer waren rosafarbene und violette Orchideen aus Seide verteilt. Mrs. Dennison hatte regelmäßig damit geprahlt, dass niemand sie von echten Blumen unterscheiden konnte.
    »Brad, lass uns hier abhauen.«
    »Ein weißer Teppich«, bemerkte Brad, als hätte er sie gar
nicht gehört. »Ziemlich mutig oder ziemlich dumm.« Langsam und bedächtig streifte er seine Sneakers daran ab.
    »Brad, nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie sehen wird, dass jemand hier war.«
    »Es war ja auch jemand hier.«
    »Ich weiß, aber …«
    »Gib mir eins von den Dingern.« Er zeigte auf den Kaminsims.
    »Was?«
    »Einen Kerzenständer.«
    »Warum?«
    »Ich habe eine Idee.«
    »Was für eine Idee?«, hörte Jamie ihre eigene Stimme widerhallen wie eine Echo und zuckte zusammen. Ihre Exschwiegermutter hatte vielleicht einen festen Schlaf, aber alles hatte seine Grenzen. Je weniger sie redeten, desto besser. Je eher sie hier wieder raus waren, desto besser.
    »Vertrau mir«, sagte er.
    Zögernd hob Jamie einen der Kerzenständer von dem Sims. Er war schwerer, als sie erwartet hatte, und wäre ihr fast aus den Händen geglitten.
    »Vorsichtig«, warnte Brad.
    Jamie packte den Leuchter fester. »Was hast du vor?«
    »Stell ihn dorthin. Auf das Klavier.«
    »Warum?«
    »Mach es einfach.«
    »Ich verstehe das nicht.«
    »Stell ihn auf das Klavier. Ja, genau da«, sagte er, als Jamie den Kerzenständer auf den geschlossenen Ebenholzdeckel des Klaviers stellte. »Die alte Schachtel wird sich tagelang fragen, wie zum Teufel er dorthin gekommen ist«, beantwortete er ihre stumme Frage.
    »Wahrscheinlich schmeißt sie einfach ihre Putzfrau raus«, sagte Jamie und fühlte sich bereits schuldig.

    »Was liegt denn hier entlang?«
    »Nein, Brad. Lass uns einfach …« Aber Brad hatte bereits die Schwingtür zum Esszimmer aufgestoßen.
    Um einen Tisch aus Walnussholz waren sechs Holzstühle mit hoher Lehne und blutrotem Lederpolster gruppiert. An einer Wand stand ein hoher, passender Walnussschrank mit teurem Porzellan und Gläsern. Brad warf einen beiläufigen Blick in die Richtung, bevor er die nächste Doppelschwingtür zur Küche aufstieß.
    »Ich habe echt Durst«, sagte er.
    Jamie sah sich um und folgte ihm. »Brad, ich finde wirklich, dass wir hier verschwinden sollten.«
    »Ich könnte ein Glas Milch vertragen.«
    »Milch?«
    Er öffnete den Kühlschrank, beugte sich vor und betrachtete den Inhalt. »Mal sehen. Es gibt Orangensaft, Eier, Preiselbeeren und einen Teller übrig gebliebene Spaghetti.« Etwas Weißes blitzte in der Dunkelheit, und in diesem Moment erkannte Jamie, dass Brad Gummihandschuhe trug.
    »Du trägst Handschuhe?«, fragte sie ungläubig.
    Er zog einen Karton fettarme Milch aus dem obersten

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