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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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war. Er fand es seltsam, dass sie so etwas aufbewahrte, obwohl sie immer noch einen schönen Körper hatte. Manche Frauen hatten Glück. Er holte tief Luft. In der Kommode lagen zwischen einem Haufen schlichter Sachen – Unterhosen und Hemden, die hundertmal gewaschen worden waren – ein halbes Dutzend seidene Wäschestücke. Von Alberts Sachen keine Spur.
    Als Helen an dem Abend nach Hause kam, fragte er sie, ob er sie zum Essen ausführen dürfe. »Lochana hat uns etwas vorbereitet«, sagte Helen. »Es wird schlecht werden.«
    »Dann auf einen Drink«, schlug er vor. »Ich war den ganzen Tag nicht vor der Tür.«
    »Dafür kann ich ja nicht«, wandte sie ein. Sie war müde. Dann schürzte sie die Lippen und drehte sich um: »Also gut. Aber lass mich noch schnell duschen.«
    Als sie die Treppe hinuntergingen, in den heißen Abend hinaustraten und ein paar Grußworte mit dem Hausmeister der Wohnanlage wechselten, der gerade den Hof fegte, dachte Paul erstaunt daran, dass sie vermutlich wie ein Paar wirkten. Helenhatte ihr weißes Baumwollkleid angezogen, das sie schon bei dem Abendessen getragen hatte, und ging mit leichten Schritten neben ihm, scheinbar immun gegen die Hitze. Eine dunkle Brille verlieh ihr einen gewissen Glamour. Er schwitzte in seinem Leinenjackett. Ein Streifenhörnchen lief an der rosafarbenen Mauer von Lodhi Gardens entlang. Die Luft fühlte sich träge an, so kurz vor dem Monsun.
    »Ich habe Probleme mit meinem Projekt«, sagte er zu ihr.
    Sie setzten sich in ein kühles, klimatisiertes Café. Der Kellner brachte die Getränke.
    »Ich muss genauer verstehen, wie es für Albert zu Ende gegangen ist. Sonst kriege ich kein Gefühl für das Ganze. Dann bin ich verloren.«
    Helen bot keine Hilfe an. Sie löste ihr Haar, schüttelte es und band es dann wieder zusammen.
    »Im Grunde« – Paul gab sich Mühe, sachlich zu klingen – »muss ich wissen, wie es war, als Albert starb, ob er glaubte, seine Arbeit zu einem Abschluss gebracht zu haben, und wenn ja, worin dieser Abschluss bestand. Im Moment kommt es mir so vor, als habe sein Leben auf etwas wirklich Großes hingeführt, das aber nicht da ist. Es bricht ab.«
    Sie warf ihm einen Blick zu, während sie das Band über ihren Pferdeschwanz schob. Er wusste, dass sie etwas wusste. Helen ihrerseits fragte sich, warum sie ihn nicht einfach weggeschickt hatte. Schließlich sagte sie: »Du kannst ja mal mit diesem ayurvedischen Arzt sprechen. Ich habe irgendwo seine Adresse.«
    Paul war verärgert. »Wieso hast du mir das dann nicht eher gesagt?«
    »Ich habe nie versprochen, dir bei dem Buch zu helfen.«
    »Und warum lässt du mich dann bei dir wohnen? Warum gibst du mir die Adresse jetzt?«
    Sie lächelte. »Deine Gesellschaft ist mir nicht ganz unwillkommen. Das weißt du.«
    Paul zögerte. »Heute habe ich ein paar Briefe gelesen. Aus der Kiste, die in deinem Schlafzimmer auf dem Schrank steht.«
    Sie zog eine Augenbraue hoch. »Ich wusste nicht, dass du einen Hausdurchsuchungsbefehl hast.«
    »Es musste dir doch klar sein, dass ich mich umsehen würde.«
    »Musste es das? Albert hätte so etwas nie gemacht.« Ehe er antworten konnte, sagte sie: »Weißt du, mir scheint, du solltest dich mal selbst fragen, warum du unbedingt über Albert schreiben willst.«
    »Das habe ich dir doch gesagt. Es fing damit an, dass ich Wau gelesen habe. Und mit einem Gefühl von …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es hat mit deiner Familie zu tun, Paul«, sagte sie. »Vor allem mit deinen Frauen.«
    »Wie das?« Er war verblüfft.
    »Vielleicht suchst du nach einer Legitimation, um das Leben zu leben, für das du dich entschieden hast, dafür, dass du weit weg von deinen Frauen und Kindern bist, dass du reihenweise romantische Beziehungen mit jungen Mädchen eingehst. Du brauchst eine Art handfesten Heiligen oder eine weltliche Religion, um die zu ersetzen, mit der du aufgewachsen bist, um deine Schuldgefühle zu überwinden. Albert hat viele solche Menschen angezogen.« Helen schwieg kurz. »Ich glaube aber, dass es für dich gefährlich wäre, ihm allzu weit zu folgen.«
    Es trat eine Pause ein. Dann sagte Paul in scharfem, direktem Tonfall: »Helen, warum hilfst du mir nicht ein bisschen? Dann lasse ich dich in Ruhe.«
    Sie nippte an ihrem Drink. »Vor ein paar Tagen hast du noch gesagt, du hättest es eilig, nach Massachusetts zurückzukommen, zu deinem Fräulein Glückseligkeit.«
    »Habe ich auch.«
    »Es kommt mir aber nicht so vor, Paul. Mir scheint, du

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