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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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zurück und ist plötzlich mit diesem Drama konfrontiert. Er kann ihm nicht ausweichen. Ein paar Dinge werden ans Licht kommen. Ob es ihm gefällt oder nicht. Vater steigt aus dem Sarg. Die sperrige Kiste ist zu lange in dem überschwemmten Keller herumgeschwommen. John würde am liebsten zu seiner Mutter gehen und sie fragen, wer dieses Mädchen ist. Er will Mutter in den Keller schicken, um aufzuräumen. Erklär mir dieses Mädchen, Mum! Die Ehe seiner Eltern war perfekt, geradezu legendär. Welche Rechtfertigung hätte es sonst dafür geben können, dass sie ihn die ganze Zeit kaum beachtet haben, dass sie ständig zusammen weggegangen sind, von einem gottverlassenen Ort zum nächsten? John wünschte, er wäre mit Elaine zusammen und es wäre der Abend, an dem sie im Fluss gebadet haben. Wenn Elaine mit dem Japaner schläft, dann rastet er aus. Er weiß, dass sie mit ihm schläft. John sitzt da und starrt den Monitor an.

    Re:Re:Re:Re:Re:Re:Re: Symmetrie
    Das indische Mädchen steht auf und humpelt zur Tür. »Ich werde jetzt gehen, Mr. John. Sie können lesen, was Albert geschrieben hat.«
    »Nein, bleiben Sie hier«, sagt John. Er möchte zu gern allein sein, aber nicht mit diesen E-Mails. Er wird daran ersticken. Er wird in ihnen versinken und stecken bleiben. Er kann das Mädchen nicht gehen lassen. »Was ist mit Ihrem Bein passiert?«, fragt er.
    »Ein Unfall.«
    Sie steht an der Tür. Sie ist nicht richtig zu. Man hört andere Türen schlagen, Putzfrauen, die sich über den Flur etwas zurufen.
    »Bleiben Sie«, sagt John noch einmal. Er nimmt sich vor,die Wahrheit aus ihr herauszubekommen. Er möchte die Geschichte viel lieber von ihr hören, als diese ganzen Mails zu lesen. Die werden ihn fertigmachen. Dann hat er alle Fakten, die er braucht, um zu Mutter zu gehen. »Was meinten Sie damit«, fragt er bedächtig, »dass Sie schuld sind an Dads Tod?«
    Sie schaut ihn an und wischt sich mit den Fingern über die Wangen. »Mr. John, ich habe Ihnen den Computer gebracht. Sie können es lesen.«
    »Bitte setzen Sie sich.«
    Sie setzt sich auf die Stuhlkante. »Ich weine sonst nie«, sagt sie. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich weinen würde.«
    »Was hat mein Vater gemacht?«, fragt er. »Dieses Forschungsprojekt, bei dem Sie mitgemacht haben?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Bitte, bringen Sie mich hier weg. Können Sie mich wegbringen, Mr. John? Kann ich mit Ihnen nach England reisen?«
    Das ist zu viel für John. »Gehen wir etwas essen«, sagt er. »Ich habe Hunger.«
    An der Rezeption, als John fragt, ob sie Frühstück auf dem Dach bekommen können, verändert sich Jasmeet. Sie spricht selbstbewusst auf Hindi, bestellt Essen, macht forsche Bemerkungen, behandelt die Empfangsdame wie eine Bedienstete. Sie bittet um ein Taschentuch. Das Tagesarrangement in der Wasserschüssel besteht aus ineinandergreifenden Dreiecken in Malve und Blau.
    Auf der Treppe humpelt das Mädchen stark. Es ist ihr rechtes Knie. Sie kann es nicht heben, um den Fuß auf die nächste Stufe zu stellen. Das linke Bein muss vorangehen, dann zieht sie das rechte hinterher. Aber ihre Knöchel, die aus den weiten Hosen hervorschauen, sind schlank. Die weißen Sandalen sind hübsch. John versucht abzuschätzen, welche Schuhgröße sie hat. Elaine hat sehr kleine Füße. Mädchenfüße. Seine eigenen sind riesig. Als sie die Eisentür zum Dach aufstößt, wirkt sie, alsob das gleißende Licht und die Krähen sie nicht stören, und sie scheint auch von dem nackten Beton und dem einsamen Plastiktisch nicht überrascht zu sein.
    Es weht ein warmer Wind. Der Kellner kommt. »Diese Krähen sind abscheulich, Sir!« Der Mann schauspielert. Er wedelt mit der Hand, um die Vögel zu verscheuchen. »Abscheulich, weg mit euch!« Es ist seine Art, seine Belustigung darüber zu zeigen, dass John sich ein Mädchen geangelt hat. Er spielt Theater. Er denkt, wir haben miteinander geschlafen. In der Zwischenzeit kann John das Mädchen genauer betrachten. Sie ist Anfang zwanzig, vermutet er, älter als Ananya, wahrscheinlich in meinem Alter. Jasmeet betrachtet mit ziemlich kritischem Blick die Aussicht vom Dach.
    »Ich glaube, Sie kennen meinen Vater«, sagt sie, während sie sich hinsetzt. »Sie haben am Tag vor Alberts Bestattung mit ihm zu Abend gegessen. Sein Name ist Kulwant Singh. Er ist ein Freund Ihrer Mutter.«
    »Natürlich! Mein Gott. Das war mir nicht klar. Das war Ihr Vater?«
    »Ja.« Sie lächelt nicht.
    »Er hat von der königlichen Familie

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